Mehr als nur ein Zeuge
– ihm beim Duschen und Anziehen helfen und so weiter. Ich glaube, ich kann ganz gut beurteilen, dass Mum dafür absolut ungeeignet ist.
»Willst du echt als Ellies Helferin arbeiten? Du hast doch etwas völlig anderes gelernt. Du bist doch ausgebildete |297| Rechtsanwaltsgehilfin und wolltest sogar Anwältin werden.«
»Schon, aber für den Übergang fände ich das gar nicht so schlecht. Es ist bestimmt interessant und ich mag Ellie sehr gern.«
Irgendwie macht es mich total traurig, dass meine ehrgeizige, hart schuftende, kluge Mutter das sagt: »Für den Übergang …«
»Ellie wird dich die ganze Zeit rumkommandieren.«
»Bestimmt nicht.«
»Und du musst mit ins Trainingslager und auf Wettkämpfe fahren und dann bin ich wieder allein.«
»Janet hat gesagt, du könntest so lange bei ihnen wohnen. Sie fand die Idee richtig gut und meinte, ihrer Familie wäre damit eine große Last abgenommen.«
Damit meint Janet vermutlich, dass sie es toll fände, wenn Mum Ellie hilft, aber wohl kaum, dass sie begeistert wäre, mich bei sich wohnen zu haben. Ich gehe mal davon aus, dass sie Mum den Vorschlag gemacht hat, bevor sie Claire und mich in Claires Zimmer erwischt hat. Aber es wär natürlich schon toll, wenn ich bei ihnen wohnen könnte, denn dann könnte ich mehr Zeit mit Claire verbringen, von dem hervorragenden Essen ganz abgesehen … und der Wii …
»Mach, was du willst. Aber du bist nicht dabei, wenn ich mit Ellie trainiere!« Ich ziehe mir die Decke über die Ohren, damit sie kapiert, dass ich für heute genug von ihr habe.
»Du musst verstehen, dass sich nicht immer alles nur |298| um dich dreht«, sagt sie, macht das Licht aus und die Tür hinter sich zu.
Am nächsten Morgen wartet Carl schon in der Fitness-Suite auf mich. »Hi, Kumpel«, sagt er und klingt ein bisschen nervös.
Wir wissen beide nicht so recht, wie wir die Sache angehen sollen, aber schließlich wollen wir unsere Zugangskarten behalten. Darum arbeiten wir ein Trainingsprogramm für ihn aus, das ähnlich ist wie das, das Ellie für mich zusammengestellt hat. Nachdem wir uns wieder umgezogen haben, schlägt Carl vor, dass ich in der Mittagspause mit ihnen Fußball spielen soll, damit er mir ein paar Tipps geben kann. Ich bin noch etwas misstrauisch, vor allem wegen Jordan und Louis, und auch weil meine Rippen vielleicht noch nicht so weit geheilt sind, um Fußball zu spielen.
»Mach dir keinen Kopf wegen Jordan und Louis, die werden sich schon benehmen«, sagt Carl. »Die machen sowieso einen Bogen um dich, wegen du-weißt-schon.«
»Wegen was?«, frage ich.
»Wegen was wohl.«
»Was meinst du mit ›du-weißt-schon‹?«
»Dein … na ja, dein Messer.«
»Welches Messer?«
»Jordan und Louis haben gesagt, du hättest sie neulich im Park mit einem Messer bedroht.«
Mein Herz rast, aber äußerlich bin ich völlig ruhig.
»Hä? Scheiße, Alter, die hängen wohl zu viel vor der |299| Glotze«, sage ich. Meine Stimme droht wieder nach East London abzukippen.
»Das haben sie jedenfalls gesagt.«
»Hey … ich brauch doch nich’n Messer, um diese Flachwichser zu erschrecken. Die machen immer einen auf dicke Hose, dabei hamse bloß Schiss, sonst nix.« Ich übertreibe absichtlich ein bisschen, und sofort blitzt Arrons Gesicht vor mir auf, wie er sagt: »Der hat bloß Schiss« und mich damit meint. »Die ham sich das ausgedacht, damit sie sich groß und gefährlich vorkommen, dabei hab ich ihnen nur das hier gezeigt.« Ich balle die Faust. »Schon sind sie abgehaun und ham sich vor Angst in die Hosen gepisst.«
Er lacht unsicher, aber ich glaube, er nimmt mir die Geschichte ab.
»Mach dir keinen Stress deswegen«, sagt er. »Wir sehen uns in der Pause.«
Ich mache mir aber Stress deswegen. Wenn die Sache dem Schulleiter zu Ohren kommt, fliegt Joe Andrews endgültig von der Schule und obendrein macht Doug ihn zur Schnecke. Und anschließend wird Tyler Lewis vielleicht sogar wegen Mordes angeklagt. Weil dann alle denken, dass ich andauernd mit einem Messer rumfuchtele, und den Typen glauben, die behaupten, dass ich damals in einem anderen Park weit weg von hier ebenfalls mit einem Messer rumgefuchtelt habe. Ich zerbreche mir den Kopf, was ich bloß machen kann, damit keiner von denen tratscht, aber mir fällt nichts anderes ein als Massenmord, und das kommt ja wohl nicht infrage.
|300| Claire und ich kriegen es hin, dass wir in Chemie zusammenarbeiten, und alle meine Sorgen sind vergessen. Sie arbeitet sehr
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