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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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konzentriert und verzieht das Gesicht immer total niedlich, wenn sie auf das Reagenzglas schaut und mir diktiert, welche Werte ich aufschreiben soll. Sie hat sich die Haare nach hinten gebunden und trägt die Sommeruniform, die Arme sind unter einer Strickjacke verborgen. Allmählich sieht sie ganz normal aus. Ich kritzele eine Nachricht auf meine Messtabelle:
Gefällt mir, deine neue Frisur!,
und sie wird rot und radiert Ewigkeiten daran rum.
    »War deine Mum sehr sauer?«, frage ich sie flüsternd, und sie nickt und schreibt auch etwas mit Bleistift:
Ist aber wieder okay, glaube ich.
    Als wir fertig sind und aufräumen, erzähle ich ihr von Mums Plan, als Ellies Helferin zu arbeiten. »Ich weiß«, sagt sie, »sie haben gestern Abend drüber geredet. Ellie freut sich sehr und ist überzeugt davon, dass deine Mutter das richtig gut macht.«
    »Ich weiß nicht   … Eigentlich ist so was überhaupt nicht ihr Ding.«
    Sie schaut auf das Reagenzglas, das sie gerade abtrocknet, und sagt: »Mum hat gemeint, dass du dann ab und zu bei uns wohnst.« Und als sie wieder hochschaut, grinsen wir uns beide dämlich an.
    »Keine Privatgespräche!«, ruft der Lehrer und wir holen unsere Mathesachen. Zum ersten Mal finde ich es schade, dass eine Chemiestunde um ist.
    Das Fußballspielen in der Pause mit Carl und seinen |301| Kumpels läuft ganz gut   – ich bringe Brian und seine Freunde mit und sie können ebenfalls mitspielen. Carl mischt die Mannschaften, damit wir nicht völlig untergehen. Er gibt mir ein paar ziemlich brauchbare Tipps   – »Du bist schneller als alle anderen, aber du darfst nicht vergessen, den Ball wieder abzugeben. Dein Problem ist, dass du nicht dran denkst, dass du nicht allein in der Mannschaft bist«   – und ich schieße sogar ein Tor, also bin ich ziemlich zufrieden mit mir, als es wieder klingelt.
    Aber am Rand des Fußballplatzes wartet Ashley auf mich. »Gehst du ein Stück mit mir?«, fragt sie, und ich weiß, dass es ein Befehl ist.
    »Klar.« Die anderen um uns rum glotzen zu uns rüber und stoßen sich an
    »Wie geht’s dir?«, fragt sie.
    »Prima.«
    »Du vermisst mich also nicht?«
    »Das hab ich nicht gesagt.«
    Sie hat ihre volle Kriegsbemalung drauf und ich fahre überhaupt nicht auf sie ab, Gott sei Dank.
    »Und   … und hast du schon eine neue Freundin?«
    »Jetzt mach aber mal halblang, Ash, wir haben uns gerade mal vor fünf Minuten getrennt.« Außerdem   – was geht sie das an?
    »Weil ich dich in Chemie mit der gestörten Claire gesehen habe.«
    Wie bitte? Nicht zu fassen. »Ich   … du   … du hast was?«
    »Ich hab dich gesehen. Wie du sie angelächelt hast   … ihre Hand berührt   …«
    |302| Holla! »Na und? Worauf willst du hinaus?«, frage ich abweisend.
    »Na ja, wie steh ich denn da, wenn du dich von mir trennst und im nächsten Augenblick mit dem beknacktesten Mädchen im ganzen Jahrgang gehst? Ich will, dass du dich von dieser Hackfresse fernhältst.«
    Ich bleibe stehen. »Hör auf, so über sie zu reden. So redet man über niemanden!« Rings um uns drängeln sich andere Schüler vorbei, und ich bin sicher, dass manche die Ohren ganz weit aufsperren.
    »Ahaaaa!«, sagt sie. »Du magst sie also? Ich wollte es nicht glauben.«
    »Wir sind befreundet. Und dich geht es überhaupt nichts an, mit wem ich befreundet bin.«
    »Ich kann dich nur warnen: Die ist echt nicht richtig im Kopf. Und ich kann dir sagen, wenn sie jemals die Jacke auszieht, dann kannst du dich auf was gefasst machen.« Sie stößt ein höhnisches, superfieses Lachen aus.
    »Drecksau!«, sage ich. Am liebsten würde ich ihr eine runterhauen. Schon fliegt meine Hand hoch.
    Da schubst mich Brian zur Seite und sagt: »Reg dich ab, Kumpel.« Ich komme wieder zu mir und lasse die Hand sinken.
    Jetzt sind wir von einer ganzen Meute umringt. Ashley sagt lachend: »Falls du noch mehr über deine kleine Freundin wissen willst, kannst du mich jederzeit fragen.« Dann höre ich ein Aufschluchzen, und Claire rennt weg, drängt sich durch die Menge und flüchtet auf den Schulhof.

|303| Kapitel 24
Wo ist Claire?
    Soll ich ihr hinterherlaufen? Ich bin versucht, sie allein wieder zur Vernunft kommen zu lassen und die Gerüchteküche nicht noch mehr anzuheizen. Aber wann habe ich schon mal die richtige Entscheidung getroffen? Also schiebe ich mich ebenfalls durch die Meute, die in die Klassenzimmer strömt, sprinte hinter Claire her und habe sie wenig später auf dem Schulhof eingeholt.
    Genauer

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