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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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nachgedacht. »Es ist die Familie von einem der Typen, die an dem Tag im Park waren. Ich glaube, es sind richtige Kriminelle, du weißt schon, echte Gangster, Berufsverbrecher. Genauer weiß ich’s auch nicht.«
    »Und sie wollen dich umbringen, weil du gesehen hast, wie ihr Sohn jemanden umgebracht hat?«
    »Glaub schon   …« Ich denke daran, was ich tatsächlich gesehen habe. »Ich glaube, er war der Anführer, derjenige, der überhaupt damit angefangen hat. Ich meine, ich weiß eigentlich nicht genau, welcher von denen mich jetzt bedroht. Höchstens   …«
    »Höchstens was?«
    »Na ja, also, Nathan, das ist der Bruder von meinem Freund Arron. Ich bin mit Arron in den Park gegangen. Und Nathan hat gesagt, ich soll gefälligst die Klappe halten, sonst   … Aber ich glaube eigentlich nicht, dass Nathan zu einer Verbrecherfamilie gehört. Ich meine, ich kenne seine Eltern und so, da wüsste ich doch wohl, wenn das Verbrecher wären, oder?«
    Wenn sie das wären, würden sie irgendwo in einem großen Haus wohnen, nicht in einer kleinen Wohnung in einem Sozialbau in Hackney. Dann würde Nathan ja auch wollen, dass ich als Zeuge aussage, weil ich es für Arron tue. Ich meine, ich mache es für Gran und für mich und ich mache es auch für andere Leute, aber wenn es nicht um Arron ginge, würde ich überhaupt nichts aussagen.
    |288| Aber ich weiß noch, wie Nathan gerochen hat, süßsäuerlich nach Schweiß und Angst, mit seinem Gesicht so ganz dicht vor meinem, und deswegen bin ich nicht hundertprozentig sicher. Vielleicht kennt Nathan ja einen Killer. Jedenfalls wusste er, wo Gran wohnt.
    »Kann dir die Polizei nicht mehr sagen?«, fragt Claire. »Jetzt, wo das auch noch passiert ist? Es kommt mir nicht fair vor, dass sie mehr wissen als du.«
    »An dieser Sache ist überhaupt nichts fair.«
    Ich weiß nicht mal, ob ich überhaupt mehr wissen möchte. »Lass uns über was anderes reden, Claire.«
    Claire lehnt sich an mich. »Stimmt es, dass du mit Ashley Schluss gemacht hast?«
    »Sie hat mit mir Schluss gemacht.«
    »Stimmt es, dass ihre Eltern gesagt haben, sie soll mit dir Schluss machen?«
    Ich bin hin und her gerissen. Ich will Claire nichts von dem Messer erzählen. Ich will ihr überhaupt nichts davon sagen, was Ashley gesagt hat. Es ist total peinlich, und vielleicht stößt es sie ab, wenn sie erfährt, wie weit ich beinahe mit ihrer Feindin gegangen wäre. Womöglich hält sie mich dann für einen Sexbesessenen, der die Mädchen nur ausnutzen will   – was ja nicht mal so falsch wäre. Und das mit den Eltern stimmt. Es ist bloß nicht die ganze Wahrheit. Das mit der ganzen Wahrheit muss ich unbedingt üben und Claire ist meine beste Zuhörerin. Darum erzähle ich ihr doch alles.
    Sie ist geschockt, schaut mich mit aufgerissenen Augen an, aber sie muss auch lachen. »Ich kann nicht glauben, |289| dass sie das zu dir gesagt hat. Glaubst du, das sagt sie zu jedem Jungen, mit dem sie sich trifft?«
    »Nein   …« Natürlich nicht. »Na ja, vielleicht.«
    »Lächerlich. Sie ist einfach erbärmlich. Was für eine Blenderin. Obwohl sie mit dem Messer nicht ganz unrecht hat.«
    »Okay, es war blöd von mir, wieder eins einzustecken. Aber ich fühle mich damit einfach sicherer.«
    »Wieso wieder?«
    »In London hatte ich immer eins dabei. Das haben viele.«
    »Stimmt. Dort werden auch viele erstochen. Schaust du keine Nachrichten?«, sagt sie. Und dann: »Ich schlage dir eine Abmachung vor: Ich ritze mich nicht mehr und du schleppst kein Messer mit dir rum.«
    »Kein Messer mehr!«, verspreche ich. Ob ich die Abmachung einhalten kann?
    »Wenn man sich verteidigen muss, kann man entweder kämpfen oder wegrennen. Im Krankenhaus hast du ja auch kein Messer gebraucht, oder?«
    »Hätte ich eins dabeigehabt, hätte ich vielleicht den Falschen umgebracht.«
    »Siehst du.«
    Mir geht es schon viel besser, und ich mag Claire so gern, dass ich ihr die Haare aus der Stirn streiche, ich würde sie auch gern küssen, aber ich glaube, das lasse ich lieber bleiben. Dafür ist es zu unklar, was für eine Freundschaft wir haben, und dass sie womöglich erst zwölf ist, macht mir auch Kopfzerbrechen. Da beugt sie |290| sich zu mir rüber und sagt schüchtern: »Wir wollen unsere Abmachung mit einem Kuss besiegeln«, und im nächsten Augenblick umarmen wir uns so stürmisch, dass mein Herz einen Salto schlägt.
    »Ich finde dich echt total nett«, sage ich und merke im selben Augenblick, dass ich das falsche Wort gewählt

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