Mehr als nur Traeume
etwas zu essen. Sie war schon nach dem ersten Schluck beschwipst. Da wurde ihr klar, daß sie seit dem Frühstück mit Nicholas gestern morgen - als sie sich auf dem Boden geliebt hatten - keinen Bissen mehr zu sich genommen hatte.
»Was haben Sie denn so alles getrieben, seit Sie Thornwyck verlassen haben?« fragte Lee.
»Nicholas und ich sind nach Ashburton gefahren«, sagte sie, ihn beobachtend.
»Ist das jemand, den Sie inzwischen kennengelernt haben?«
»Ja«, flüsterte sie. »Und wie ist es Ihnen ergangen?«
Er lächelte wie eine Cheshire-Katze, als wüßte er etwas sehr Wichtiges.
»Lord Harewood ließ am Tag nach Ihrer Abreise die Wand in Lady Margaret Staffords Zimmer ausbessern, und raten Sie mal, was wir dort fanden?«
»Ratten«, erwiderte Dougless, der es herzlich gleichgültig war, was sie dort gefunden hatten.
Lee beugte sich mit Verschwörermiene über den Tisch. »Eine kleine Eisenkassette und darin Lady Margarets Geschichte von den wahren Gründen für Lord Nicholas’ Hinrichtung. Ich sage Ihnen, Dougless, was in dieser Kassette steckt, wird meinen Ruf in der Welt der Wissenschaft begründen. Es ist so, als würde ich ein vierhundert Jahre altes Verbrechen aufklären.«
Es dauerte eine Weile, bis seine Worte zu Dougless’ Bewußtsein vordrangen. »Erzählen Sie es mir«, flüsterte sie.
Lee lehnte sich in der Nische zurück. »O nein, ich verrate das nicht. Sie haben mir schon Robert Sydneys Namen entlockt; aber diesmal müssen Sie warten, bis das Buch erscheint.«
Dougless wollte etwas sagen; aber da kam die Serviererin mit ihrem Essen. Sie blickte ihren Teller nicht an; aber als sie wieder allein waren, beugte sie sich über den Tisch zu Lee hinüber. Mit einer Intensität, die Lee noch nie zuvor im Auge eines Menschen geschaut hatte, sagte Dougless: »Ich weiß nicht, ob Sie Genaueres über meine Sippschaft wissen, aber die Montgomerys gehören zu den reichsten Familien der Welt. An meinem fünfunddreißigsten Geburtstag erbe ich Millionen. Wenn Sie mir sagen, was Lady Margaret geschrieben hat, bekommen Sie noch in dieser Minute von mir einen Gutschein über eine Million Dollar.«
Lee blieb zunächst vor Verblüffung die Sprache weg. Er hatte natürlich nichts über ihre Familie gewußt; aber er glaubte ihr jedes Wort. Niemand konnte ihn so ansehen, wie sie das eben getan hatte, und lügen. Er wußte, daß sie diese Information haben wollte. Sie hatte ja auch keine Ruhe gegeben, bis sie ihm Robert Sydneys Namen aus der Nase gezogen hatte. Und er war auch nicht scharf darauf, sie nach den Gründen ihrer Wißbegierde zu fragen. Wenn sie bereit war, ihm eine Million für eine Auskunft zu zahlen, und ihre Familie so viel Geld und Macht besaß, war das so, als würde eine Fee ihm einen Wunsch gewähren.
»Ich möchte einen Lehrstuhl für Geschichte in einem Elite-College haben«, sagte er leise.
»Schon geschehen«, erwiderte Dougless im Ton eines Auktionators. Sie würde dem College dafür ein Institut einrichten oder einen Flügel anbauen lassen, wenn das nötig sein sollte.
»Also gut«, sagte Lee. »Setzen Sie sich hin, und essen Sie. Es ist eine großartige Geschichte. Vielleicht kann ich sie sogar als Filmstoff verkaufen. Die Sache hat schon viel früher angefangen, nicht erst in dem Jahr, als der arme Nick hingerichtet .. .«
»Nicholas«, sagte Dougless. »Er mag es nicht, wenn man ihn Nick nennt.«
»Klar, okay, also dann Nicholas. Was ich bisher noch in keinem Buch gelesen habe - ich denke, kein Historiker hat dem irgendeine Bedeutung beigemessen -, ist die Tatsache, daß die Familie Stafford durch Heinrich den Sechsten einen obskuren Anspruch auf den Thron besaß. Sie konnte in der männlichen Linie auf eine direkte Abstammung von ihm verweisen, während Königin Elizabeth von einer nicht gerade kleinen Minderheit des Adels als Bastard betrachtet wurde und, da sie dazu noch eine Frau war, zum Regieren ungeeignet. Sie wissen sicherlich, daß sie etliche Jahre lang auf einem sehr wackeligen Thron saß, nicht wahr?«
Dougless nickte.
»Wenngleich die Historiker vergessen hatten, daß die Staffords von Königen abstammten, so gab es damals doch jemand, der das wußte. Eine Frau namens Lettice Culpin.«
»Nicholas’ Ehefrau ?«
»Ich sehe schon, daß Sie sich in der Geschichte Englands sehr gut auskennen«, sagte Lee. »Ja, die schöne Lettice. Offenbar hatte auch ihre Familie einen gewissen Anspruch auf den Thron von England, wenn er auch noch viel weiter hergeholt war
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