Mehr als nur Traeume
waren alle verschossen und verblichen gewesen. Diese hier leuchteten in frischen Farben, waren unverdorben durch die Zeit und einen langen Gebrauch.
Dougless wanderte umher und bewunderte das alles, bestaunte die Farbenpracht, die sie allerorten entdeckte. Neue Antiquitäten, dachte sie bei sich und kratzte sich heftig im Nacken.
Nach einer Weile öffnete sich wieder die Tür, und zwei Männer traten herein, die einen großen, tiefen Holzzuber zwischen sich trugen. Die Männer waren mit knapp sitzenden Jacken aus roter Wolle bekleidet. Dazu trugen sie wie Nicholas eine kurze Ballonhose und schwarze gestrickte Strumpfhosen, die ihre muskulösen Beine betonten.
Es gab schon einiges, was für die elizabethanische Kleidermode sprach, dachte Dougless bei sich, während sie die Beine der Männer musterte.
Vier Frauen folgten den beiden Männern, jede mit Holzeimern befrachtet, in denen sich siedendheißes Wasser befand. Sie trugen schlichte lange Wollröcke mit hautengen Leibchen darüber und auf dem Kopf kleine Kappen. Die Gesichter zweier Frauen waren von Pockennarben entstellt.
Als der Zuber zur Hälfte mit dampfendem heißem Wasser gefüllt war, begann sich Dougless auszuziehen, und Honoria drehte sich ihr zu. Sie war eine Frau mit blassem Gesicht, weder hübsch noch häßlich. »Hei, ich bin Dougless Montgomery«, sagte Dougless, ihr die Hand hinstreckend.
Honoria schien nicht zu wissen, wie sie sich verhalten sollte, und so nahm Dougless einfach ihre Hand und drückte sie. »Wir sind also Zimmergenossinnen.«
Honoria schickte Dougless einen verwirrten Blick zu.
»Lady Margaret hat angeordnet, daß Ihr bei mir wohnen sollt, ja.« Honoria hatte eine weiche angenehme Stimme, und Dougless erkannte, daß sie noch sehr jung war, höchstens ein- oder zweiundzwanzig Jahre alt.
Dougless zog sich aus und stieg in den Zuber, während Honoria ihre modernen Kleider nahm und sie eingehend studierte.
Dougless nahm die Seife zur Hand, die man für sie bereitgelegt hatte; aber sie erinnerte Dougless an ein Stück Bimsstein, und sie entwickelte auch ungefähr so viel Schaum wie dieser. »Würdest du mir bitte meine Tasche herüberreichen?« fragte sie Honoria. Honoria stellte die Tasche neben den Zuber, betrachtete neugierig den Nylonstoff und sah zu, wie Dougless den Reißverschluß öffnete. Dougless nahm ein Stück Seife heraus - sie nahm immer die hübsch verpackten duftenden Seifen aus den Hotels mit, die diese für ihre Gäste in die Badezimmer legten - und fing an, sich damit zu waschen.
Inzwischen bemühte Honoria sich nicht mehr länger, ihre Neugierde zu verberben, als sie Dougless beim Waschen zusah.
»Kannst du mir etwas über dieses Haus berichten?« fragte Dougless. »Über die Bewohner? Und über Kit und Nicholas? Ist er bereits mit Lettice verlobt? Und ist John Wilfred als Schreiber im Haus tätig? Und wie oft kommt Arabella Sydney hierher zu Besuch?«
Honoria setzte sich auf einen Stuhl, bemühte sich, die vielen Fragen von Dougless zu beantworten, und sah dabei ehrfürchtig zu, was für einen herrlichen Schaum die Seife entwickelte, die Dougless benützte, und wie sie sich anschließend die Haare mit Shampoo wusch.
Dougless konnte Honorias Worten entnehmen, daß sie in einer Zeit eingetroffen war, in der Nicholas zwar bereits mit Lettice verlobt war, sich aber noch nicht dazu hatte hinreißen lassen, Arabella auf einem Tisch zu vögeln. Und John Wilfred war offenbar in dieser Zeit so unbedeutend, daß Honoria nicht einmal seinen Namen kannte. Honoria gab Dougless bereitwillig über alles Auskunft, was sie wissen wollte, hütete sich jedoch, irgendeine Meinung abzugeben. Offensichtlich war sie keine Tratschtante.
Nachdem Dougless gebadet und sich die Haare gewaschen hatte, reichte Honoria ihr ein grobes, rauhes Leinenhandtuch, und nachdem Dougless damit ihren Körper und ihre Haare einigermaßen trockengerieben hatte, begann Honoria ihr beim Ankleiden zu helfen.
Zuerst mußte sie ein langes nachthemdähnliches Unterkleid anziehen, das aus fein gesponnenem Leinen bestand. »Wo bleibt das Höschen?« fragte Dougless.
Honoria blickte sie verständnislos an.
»Das da.« Dougless nahm ihren pinkfarbenen Slip von der Truhe, wo Honoria ihn abgelegt hatte, und hob ihn hoch. Honoria schien aber noch immer nicht zu begreifen, was Dougless meinte.
»Da unten ist nichts«, sagte Honoria schließlich.
»Du meine Güte«, erwiderte Dougless mit großen runden Augen. Wer hätte das gedacht, daß
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