Mehr als nur Traeume
nicht dein Name, nicht wahr? Wo ist die Löwin?« Dougless erschrak über die Kühnheit ihrer Worte. Sie hatte dieses Mädchen bisher nur selten zu Gesicht bekommen, und wenn, dann immer nur in Begleitung dieser gestrengen Gouvernanten-Pflegerin. »Ich wollte sie natürlich nicht beleidigen ...«, suchte Dougless sich zu entschuldigen.
Die Erbin hörte ihr gar nicht zu, sondern segelte mit hoch erhobener Nase an ihr vorbei. »Ich bin erwachsen und kann auf mich selbst aufpassen.«
Dougless blickte lächelnd auf den plumpen Rücken des Mädchens. Sie sprach genauso wie die Schülerinnen in ihrer Klasse. »Du hast dich heimlich aus dem Haus geschlichen, nicht wahr?« sagte Dougless lächelnd.
Das Mädchen drehte sich um, blickte erst Dougless von oben herab an und sagte dann mit dem Hauch eines Lächelns um den Mund: »Sie schnarcht. Was treibt Ihr denn hier?«
Dougless blickte zum Springbrunnen hinüber und sah mit Schrecken, daß das Wasser im Becken voller Seifenschaum war. Für sie war das ein Zeichen von Umweltverschmutzung, aber die Erbtochter schien den Schaum wunderbar zu finden. Sie schöpfte eine Handvoll davon ab und betrachtete ihn. »Ich habe ein Bad genommen«, sagte Dougless. »Möchtest du das auch?«
Das Mädchen schüttelte sich und meinte geziert. »Nein, dafür habe ich eine zu zarte Gesundheit.«
»Baden schadet niemals .. .« Dougless biß sich auf die Zunge. Sie durfte nicht vergessen, daß sie nicht als Missionarin in dieses Jahrhundert gekommen war. Sie stellte sich neben das Mädchen und betrachtete es prüfend im Morgenlicht. »Wer hat dir denn gesagt, daß du eine zarte Gesundheit hättest?«
»Lady Hallet.« Sie blinzelte Dougless an. »Meine Löwenwärterin.« Zwei winzige Grübchen zeigten sich auf ihren Wangen.
Dougless überlegte sich nun, was sie sagen sollte, und beschloß, ein Risiko einzugehen. Das Mädchen sah so aus, als könnte es eine Freundin gebrauchen. »Lady Hallet sagt zu dir, daß du eine zarte Gesundheit hättest, damit sie dir vorschreiben kann, was du essen sollst und wann du ins Freie gehen darfst und wann nicht. Sie hat dich so sehr unter ihrer Fuchtel, daß du dich vor Tagesanbruch aus dem Zimmer schleichen mußt, um die Gärten besichtigen zu können. Habe ich recht?«
Das Mädchen ließ die Kinnlade herunterfallen und richtete sich dann steif auf. »Lady Hallet verhindert nur, daß ich mit Leuten aus den unteren Schichten in Berührung komme.« Sie blickte Dougless wieder von oben bis unten an.
»Mit Leuten wie mir?« erwiderte Dougless, ein Lächeln unterdrückend.
»Ihr seid keine Prinzessin. Lady Hallet sagt, eine Prinzessin würde niemals ein solches Spektakel von sich machen, wie Ihr das tut. Sie sagt, Ihr wäret nicht gebildet. Ihr sprecht ja nicht einmal Französisch.«
»Das meint Lady Hallet. Und was meinst du?«
»Daß du keine Prinzessin bist und nicht. . .«
»Nein«, schnitt Dougless ihr das Wort ab. »Du sollst nicht Lady Hallet nachplappern, sondern deine eigene Meinung sagen.«
Das Mädchen druckste herum. Offenbar wußte es nicht, was es sagen sollte.
Dougless sagte lächelnd: »Magst du Kit?«
»Er beachtet mich nicht«, flüsterte das Mädchen mit Tränen in der Stimme. Sie ruckte mit dem Kopf hoch und blickte Dougless haßerfüllt an. In diesem Moment sah sie genauso aus wie Gloria. »Er schaut nur Euch an.«
»Mich?« erwiderte Dougless betroffen. »Aber Kit interessiert sich doch gar nicht für mich.«
»Alle Männer mögen dich. Lady Hallet sagt, du wärst nicht viel besser als eine . .. eine ...«
Dougless schnitt eine Grimasse. »Sag es mir nicht. Ich habe mir das schon ein paarmal anhören müssen. Verrate mir mal, wie du denn nun wirklich heißt?«
»Lady Allegra Lucinde Nicoletta de Couret«, sagte das Mädchen stolz.
»Und wie nennen dich deine Freundinnen?«
Das Mädchen blickte sie einen Moment lang verwirft an und lächelte dann. »Meine erste Schwester nannte mich Lucy.«
»Lucy«, wiederholte Dougless lächelnd. Sie blickte zum Himmel hinauf. »Ich glaube, wir sollten jetzt lieber wieder ins Haus gehen. Die Leute werden sonst nach . . .uns suchen.«
Lucy machte ein erschrockenes Gesicht, raffte ihre schweren, teuren Röcke hoch und begann zu laufen. Offenbar hatte sie schreckliche Angst davor, daß man sie im Haus vermissen könne.
»Morgen früh«, rief Dougless dem Mädchen nach. »Zur selben Zeit.« Sie war sich nicht sicher, ob Lucy das gehört hatte.
Dougless ging ins Haus zurück und ignorierte
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