Mehr als nur Traeume
gestorben war? Die Geschichte - oder genauer gesagt, die Zukunft - verlief von nun an anders, als es in ihren Büchern gestanden hatte.
Sie döste in ihrem Sessel, als die Tür aufging und Honoria hereinkam. Sie hatte ein prächtiges Gewand aus purpurrotem Samt über dem Arm, mit langen Ärmeln aus weichem weißem Hermelin, wobei die schwarzen Schwanzspitzen versetzt zu den Fellen angenäht waren und ein eigenes Muster bildeten.
»Lady Margaret schickt Euch das«, flüsterte Honoria, um Nicholas nicht zu wecken. »Es muß erst noch geändert werden, damit es Euch paßt, aber ich dachte, ich sollte es Euch schon vorher zeigen.
Dougless nahm ihr das Kleid ab und fuhr mit den Fingerspitzen über den weichen Samt. Das war kein moderner Samt aus Kunstseide oder schwerer Baumwolle; dieser bestand aus reiner Seide und leuchtete, wie eben nur echte Seide leuchten kann.
»Wie geht es Kit?« wisperte Dougless.
»Er schläft. Er sagt, daß jemand versucht habe, ihn umzubringen. Ein Mann schwamm unter Wasser an ihn heran, packte ihn bei den Beinen und zog ihn auf den Grund des Sees hinunter.«
Dougless blickte in eine Zimmerecke. In den Aufzeichnungen von Lady Margaret, die man bei der Reparatur in Harewoods Haus in der Wand gefunden hatte, stand, daß sie glaubte, Kit wäre ermordet worden - daß sein Ertrinken kein Unfall gewesen sei.
»Wenn Ihr nicht gewußt hättet, wie man ihn wieder von den Toten erweckt. ..«, flüsterte Honoria.
»Ich habe ihn nicht von den Toten erweckt«, schnaubte Dougless. »Das hatte nichts mit Magie oder Hexenzauber zu tun.«
Honoria blickte ihr fest ins Gesicht. »Euer Arm tut Euch nicht mehr weh, wie? Ist er gesund?«
»Ja, ich spüre nur noch einen leisen pochenden Schmerz im Unterarm. Es ist. ..« Sie stockte und wich nun Honorias Blick aus. Vielleicht war da doch Magie im Spiel gewesen. Sie war schließlich in die Vergangenheit zurückgeschickt worden und hatte den Schmerz gespürt, als Nicholas mit dem Schwert am Arm verwundet wurde.
»Ihr solltet Euch jetzt ausruhen«, sagte Honoria »und Eure Kleider wechseln.«
Dougless blickte zu Nicholas hinüber, der immer noch schlief. »Ich muß bei ihm bleiben. Wenn er aufwacht, möchte ich bei ihm sein. Ich kann nicht riskieren, daß er Fieber bekommt. Glaubt Ihr, Lady Margaret hat etwas dagegen, wenn ich bei ihm bleibe?«
Honoria lächelte. »Wenn Ihr jetzt eine Schenkungsurkunde für die Hälfte des Stafford Besitzes von ihr verlangen würdet, ich glaube, Lady Margaret würde sie Euch geben.«
Dougless erwiderte ihr Lächeln. »Ich wünsche mir nur, daß Nicholas wieder gesund wird.«
»Ich werde Euch eine Robe bringen«, sagte Honoria und ging wieder aus dem Zimmer.
Eine Stunde später hatte Dougless ihre zerissenen Kleider und sogar das Stahlkorsett abgelegt und saß, angetan mit einer wunderschönen rubinroten Brokatrobe, vor dem Kaminfeuer. Alle paar Minuten legte sie Nicholas die Hand auf die Stirn. Sie war warm; aber er schien kaum mehr als ein bißchen erhöhte Temperatur zu haben.
Die Schatten im Raum wurden immer länger; doch Nicholas schlief immer noch. Eine Zofe brachte Dougless ein Tablett mit Essen, aber Nicholas wachte auch jetzt noch nicht auf. Als es dunkel wurde, zündete Dougless eine Kerze an und blickte auf ihn hinunter. Er lag so friedlich auf seinem Bett, und die schwarzen gelockten Haare bildeten einen lebhaften Kontrast zu seiner blassen Haut. Seit Stunden hatte sie nichts anderes getan, als ihn zu beobachten, und als sie immer noch kein Anzeichen von einem Wundfieber entdecken konnte, begann sie sich zu entspannen und im Raum umherzublicken.
Nicholas’ Zimmer war reich ausgestattet, wie es sich für einen Sohn des Hauses gehörte. Auf dem Kaminsims standen mehrere Schalen und Becher aus Gold und Silber, und Dougless lächelte, als sie diese betrachtete. Sie verstand nun, was Nicholas damals gemeint hatte, als er zu ihr sagte, sein Reichtum wäre in seinem Haus untergebracht. Da es keine Banken gab, in denen man ein so großes Vermögen, wie es die Staffords besaßen, verwahren konnte, mußten die Staffords eben ihr Geld in Gold und Silber anlegen, es zu herrlichen Kunstgegenständen verarbeiten und mit Juwelen verzieren lassen. Lächelnd nahm sie einen goldenen Kelch in die Hand und dachte bei sich, daß die Pfandbriefe und Aktien ihrer Familie erheblich hübscher aussehen würden, wenn man sie in goldene Teller verwandelte.
Neben dem Kamin hing eine lange Reihe kleiner Porträts in ovalen Rahmen. Die
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