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Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Wir mochten uns gleich, und das war das Ende. Er war die Hoffnung auf etwas Neues, und ich träumte wieder von Amerika. Aber eines Nachts erwischte uns sein Vater im Bett und setzte mich vor die Tür. Seinen Sohn schickte er ins Ausland. Ich reiste hinter ihm her, und wir hatten eine großartige Zeit. Doch sein Vater bekam Wind davon und strich das Geld, bis er mit mir Schluß machen würde. Eine Zeitlang war die Liebe in billigen Absteigen ganz romantisch. Aber dann ging er zurück und studierte, weil der Vater es so wollte. Mir blieb die Wohnung in Doddelbach. Dahin verzog ich mich und versuchte, den Sohn zu vergessen. Es gelang mir nicht. Ich war mehr in der Wirtschaft als zu Hause, auch weil ich dort einen Freund meines Geliebten traf. Ich hatte Fred Scheigel bei unseren heimlichen Spaziergängen kennengelernt. Auch Fred war jung, sah gut aus und wollte weit weg. Wie ich. Wir zogen zusammen, und schließlich heiratete ich ihn. Mit dem Auswandern wurde es nichts. Fred ging arbeiten. Dann versuchten wir es mit einem Lebensmittelladen, machten aber Pleite und hörten auf zu träumen. Mein Geliebter kam zurück, übernahm den Betrieb seines Vaters und kannte mich nicht mehr. Sein Vater starb dann plötzlich, aber er heiratete eine andere. Tja, und da sitze ich in dem Kaff mit einem Idioten zum Mann. Die polnische Schlampe. Ein alter Russe in Frankfurt ist mein einziger Kontakt, er besorgt mir den Wodka. Ich bin achtundfünfzig, sehe zehn Jahre älter aus und werde in dieser Bruchbude sterben.«
    Sie stand auf und holte eine frische Packung Zigaretten. Dann, mit der Zigarette im Mund: »Vor einem halben Jahr ist mein Geliebter umgekommen. Ich wollte zur Beerdigung. Sie haben mich nicht ans Grab gelassen.«
    Der Regen trommelte gegen die Fenster. Es war dunkel geworden, und ich sah nur noch ihren Schatten und das Gesicht, wenn sie an der Glut zog.
    »Der Sohn, das war Böllig?«
    Sie nickte, dann zündete sie eine Kerze an.
    »Und Ihr Mann hat bei ihm als Nachtwächter gearbeitet.«
    Sie holte eine neue Flasche Wodka.
    »Sie sehen aus, als könnten Sie was vertragen.«
    Ich hob zustimmend mein Glas, und sie goß es voll.
    »Ja. Fred hatte keine Arbeit, und ich wollte ihm helfen. Ich habe bei Friedrich Böllig für ihn um eine Stelle nachgefragt, sozusagen aus alter Freundschaft. Er hat gelacht und gefragt, warum ich mich ausgerechnet mit dieser Null zusammengetan hätte. Es war widerlich, aber er hatte recht. Er gab Fred eine Stelle als Nachtwächter. Ich habe ihn dafür verflucht, aber ich habe ihn immer noch geliebt.«
    »Kennen Sie seine Frau?«
    »Was denken Sie denn… Ein junges Ding, war hinter seinem Geld her. Das Geld hätte sie haben können, wenn sie mir nur den Mann gelassen hätte.«
    »Hat er das gewußt?«
    »Ich weiß nicht. Die paar Mal, die wir uns sahen, versuchte ich, es ihm beizubringen. Er wurde dann wütend, schrie mich an und beschimpfte mich. Ich hätte die Beziehung zwischen ihm und seinem Vater zerstört, sogar an seinem Tod soll ich schuld gewesen sein.«
    »Woran ist er gestorben?«
    Sie fixierte mich einen Augenblick. Dann ließ sie sich zurück in den Sessel fallen und lachte.
    »Sie glauben, ich habe ihn umgebracht?«
    »Ich glaube gar nichts.«
    »Und wenn schon, wen interessiert das noch. Kreislaufkollaps. Ganz durchschnittlich. Er hatte zuviel um die Ohren.«
    »Kam der Tod damals jemandem gelegen?«
    »Na, jedenfalls kam er niemandem besonders ungelegen.«
    Sie stand auf und begann langsam im Zimmer auf und ab zu gehen.
    »Otto Böllig war nicht der Typ, um den man trauert. Er war ein Tyrann, aber kein intelligenter. Er hatte keinen Charme, war langweilig, fast einfältig. Friedrich war da ganz anders. Er war gescheit, witzig und immer vorne weg. Er konnte jemand beleidigen und mit einer einzigen Geste alles wieder in Ordnung bringen. Er hat die Leute überrollt. Außerdem, er war jung, sah gut aus und hatte Geld. Er genoß das Leben. Für seinen Vater gab es nur die Fabrik. Ich glaube, ich war der einzige Luxus, den er sich in seinem Leben geleistet hat. Friedrich ging es gut bis zum Tod des Vaters. Er ging auf die Dreißig zu, und ihm wurde klar, daß es mit dem Charme und der Jugend bald aus sein würde. Und da war eine Fabrik, und die war nicht in München oder Düsseldorf, die war in Doddelbach, und sie mußte weitergeführt werden. Sein Leben würde von nun an die Fabrik sein. Zuerst versuchte er, den alten Rhythmus beizubehalten, nachts Frankfurt oder Köln, am Tag die Fabrik.

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