Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
Vom Netzwerk:
gehört?«
    Er fuhr auf und zeterte: »Fragen, Fragen, immer die gleichen Fragen! Ich habe der Polizei alles gesagt!« Er sah mich verbissen an: »Ich habe ja nicht einmal die Detonation mitgekriegt!«
    »Die Schüsse fielen vor der Sprengung.« Beide starrten mich an.
    »Aber…«
    »Dafür gibt’s Zeugen.«
    Die Polin kniff die Augen zusammen und kombinierte schnell.
    »Aber was hat Friedrich Böllig mitten in der Nacht bei den Abflußrohren gesucht?«
    »Das habe ich mich auch gefragt. Was meinen Sie, Herr Scheigel, hat Ihr Chef manchmal so eine Art Kontrollgang gemacht?«
    Er zögerte. »Vorgekommen ist das natürlich.« Und nach einer Pause: »Eigentlich regelmäßig, er hat ja öfter bei mir reingeschaut.«
    Seine Frau beobachtete ihn mißtrauisch. Ich konnte nicht beurteilen, ob ich ihn in die Enge trieb oder die Anwesenheit seiner Frau. Ich hätte ihn gerne allein gesprochen. Aber das war jetzt nicht möglich. Es war kurz nach sechs, für einen Nachmittag hatte ich genug erfahren.
    »Ja, es ist spät geworden, und ich…« Ich sah Scheigel an und fragte plötzlich: »Sie haben nicht zufällig die Polizei über unser Gespräch von gestern verständigt?«
    Er schüttelte überrascht den Kopf.
    »Nein.«
    Wodkaschwer erhob ich mich vorsichtig aus dem Sofa und testete die Senkrechte. Ich wankte, aber es ging.
    »Ihren Wodka, Madame, den können nur Landsleute beziehen?«
    So schnell wollte ich mich von meinem neuen Freund doch nicht trennen. Sie lächelte.
    »Ich gebe Ihnen die Adresse.«
    Während sie draußen war, steckte ich Scheigel meine Visitenkarte zu.
    »Für alle Fälle. Sie können mich Tag und Nacht anrufen. Wenn Ihnen danach ist.«
    Unwillig betrachtete er die Karte und dann mich.
    »Ihre Geschichte hinkt. Das wissen Sie so gut wie ich, und irgendwann kommt das raus.«
    Seine Frau kam zurück, und er ließ die Karte in der Hosentasche verschwinden.
    »Hier, ich habe eine Empfehlung dazu geschrieben. Nikolei ist ein netter Mensch, aber beim Preis müssen Sie aufpassen. Er übertreibt gerne.«
    Ich dankte, und sie begleitete mich zur Tür. Scheigel blieb im Salon. Ohne aufzublicken hatte er mir die Hand geschüttelt. Ich verabschiedete mich von der Polin.
    »Bis zum nächsten Mal.«
    Sie fuhr sich durch die struppigen Haare.
    »Haben Sie von dem Geschwätz immer noch nicht genug?«
    Ich lachte.
    »Machen Sie, daß Sie wegkommen, junger Mann.«
    Ich lief das Kopfsteinpflaster hinunter. An der Hauptstraße drehte ich mich noch einmal um, der rosa Morgenmantel war verschwunden.

4
    Die Tür war angelehnt. Es war still. Ein bißchen zu still. Langsam schob ich die Tür mit dem Fuß auf. Die drei großen Spiegel, die links und rechts den Flur geziert hatten, lagen in Scherben über den hellen Teppich verteilt. Vorsichtig schlich ich zum Büro, von wo leises Wimmern kam. Ich ging hinein und fiel fast über einen zerbrochenen Stuhl. Der Schreibtisch war umgeworfen, drei Tischbeine staken in der Luft, das vierte lag im Chaos aus rausgerissenen Schubladen, Büchern und allen möglichen Papieren. Die Ledersessel waren aufgeschlitzt, aus den Löchern quoll Holzwolle. Die Papiere raschelten im Zug durch die zerbrochenen Fensterscheiben. An der Wand stand in großen schwarzen Lettern gesprüht: AKTIONSKOMMANDO FREIHEIT UND NATUR. Ich watete zum Wimmern im Schrank: abgeschlossen, und der Schlüssel war weg. Ich trat aufs Schloß, und mein Fuß verschwand krachend im Schrank. Drinnen jaulte Anastas auf. Schließlich brach die Tür raus. Dahinter krümmte sich Anastas im ein Meter breiten Kasten wie ein dickes Baby. Die Hände hatte man ihm mit seiner Krawatte zusammengebunden, und aus der Nase lief Blut. Die Folge des Tritts in die Tür. Anastas’ Augen waren mit einem Küchenhandtuch verbunden. Ich löste Schlips und Handtuch und zog ihn aus dem Schrank; dann half ich ihm auf die wackeligen Beine und setzte ihn in einen Sessel. Er lehnte sich zurück und schloß die Augen. Soweit ich feststellen konnte, war er nicht ernsthaft verletzt. Weder ein blaues Auge noch eine Zahnlücke, geschweige denn unnatürlich baumelnde Arme. Das Nasenbluten hatte aufgehört. Allerdings waren die Hemdknöpfe ausgerissen und die Wangen rot angeschwollen. Man mußte ihm ziemliche Ohrfeigen verabreicht haben. Mittlerweile war es saukalt. Ich schob Pappe vors kaputte Fenster, drehte die Heizung auf und machte mich auf die Suche nach einem Schluck wärmenden Alkohol. Als ich mit der halbvollen Flasche Remy Martin zurückkam, kroch Anastas

Weitere Kostenlose Bücher