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Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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gespielt?« Er schnalzte mit der Zunge.
    »Seit einer halben Stunde handelt die Alte den Preis aus.«
    Jetzt schauten wir beide rüber.
    »Da! Jetzt hat sie die Kohlen und zieht den Vorhang zu.«
    Er drehte sich um.
    »Seltene Vorstellung. Aber bei dem Sauwetter is Essig mitm Geschäft, und die Preise fallen. ALDI-Tag aufm Kiez.«
    Plötzlich schlug er mir auf die Schulter: »Na, Isnogoud, spielen wir einen?«
    Ich nickte, und er holte die Kugeln. Karate - alle nannten ihn so, seit er einem zahlungsunwilligen Besucher den Fuß ins Gesicht gesetzt hatte - war im Viertel geboren und aufgewachsen. Zwar hatte er wegen Autodiebstahl und Körperverletzung eine Weile gesessen, aber insgesamt war er sauber geblieben und grüßte Bullen wie Zuhälter. Und Bullen wie Zuhälter spielten bei ihm Billard.
    Er kam zurück und ließ die Kugeln ins Dreieck fallen. Ich machte den ersten Stoß. Das ging hin und her bis zur schwarzen Acht. Jeder stieß dreimal daneben, dann schob er die Kugel elegant über drei Banden ins Loch und stellte fest: »Dein linker Arm is wie Pudding.«
    »Hatte ‘n Unfall.«
    Er grinste. »Und der Arzt hat dir Schnaps verschrieben. Stinkst wie’n Loch.«
    Ich brummte »mhm«, und wir machten das zweite Spiel. Als er die Kugel peilte, fragte ich: »Kennst du einen, der Geld verdienen will? Fünfhundert Mark die Stunde.«
    Er machte den Stoß und richtete sich dann langsam auf. »Und was muß er in der Stunde machen?«
    »Vor der Kripo Schmiere stehen und vielleicht einen Schrank knacken.«
    »Vor der Kripo. Aha.«
    Wir spielten weiter. Nach einer Weile meinte er: »Wenn’s dir nicht gut geht, meine Freundin is in Ferien, kannst paar Tage zu mir kommen.«
    »Das war kein Witz.«
    »Um so schlimmer.«
    »Ich suche einen Mörder… oder Mitwisser, der Kontakt mit der Polizei hat. Sein Name müßte auf einer Liste von V-Männern oder Informanten stehen. Oder was weiß ich. Jedenfalls muß er den Bullen vier vermeintliche Täter geliefert haben und dafür freigelassen worden sein. Wahrscheinlich ist er seitdem unter Vertrag. Der zuständige Kommissar ist auf den Coup irre stolz, und ich bin der letzte, der ihm klarmachen kann, daß er den einzig wirklich Schuldigen auf freien Fuß gesetzt hat. Im Gegenteil, er bastelt sich sein Informationsnetz und glaubt, ich würde ihm alles kaputt machen.«
    Karate versenkte die Drei.
    »Und du willst dem Kommissar das Büro ausräumen. Wie willst du Akten und Papierberge abtransportieren? In Kartons oder Säcken? Ich habe gehört, heute hat man Archive. Vielleicht findest du also gar nichts im Büro und mußt Archiv und Computer untern Arm klemmen. Am besten, du bestellst ein Taxi direkt vor die Tür.«
    Er knallte die Sieben hinterher. Dann verrechnete er sich, und ich war dran.
    »Ich kenne niemand, der den Job machen würde, ohne im voraus bezahlt werden zu wollen. Und ich kenne erst recht niemand, den man im voraus bezahlen könnte, und der den Job dann noch macht.«
    Ich steckte eine Zigarette an und lief nach einer spielbaren Kugel um den Tisch herum.
    »Nimm an, er würde jederzeit beweisen können, daß ich ihn gezwungen habe. Er müßte sogar, sobald wir das Präsidium betreten, jedem möglichen Frager weismachen, ich hätte ihn ohne Begründung festgenommen. Wenn wir Pech haben, ist das auch meine Chance, aus der Geschichte rauszukommen. Dann mach ich den blöden Schnüffler, der sich mit einer Verhaftung ohne Sinn und Verstand beim Kommissar beliebt machen wollte.«
    Er nahm eine Zigarette, kaute mißmutig drauf herum und brummte: »Blöde? Total bescheuert.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn du die Lizenz los bist, also, du kannst jederzeit bei mir arbeiten. Bißchen aufpassen, bißchen Billard spielen. Die Stunde sieben Mark. Issen ruhiger Job.«

6
    Restaurant MORGENRÖTE. Die chinesischen Schriftzeichen waren rissig und blätterten ab. Auf der Glastür fauchte ein blaßgrüner Drache die Speisekarte in die Luft. Glöckchen klingelten, als ich eintrat. In den schummrigen Eßnischen hingen gelbe Papierlaternen und verstaubte Chinaschirme, aus dem Radio kam Discopop. Der kleine Chinese hinter der Theke kaute einen Zahnstocher und betrachtete mich gelangweilt.
    »Ich suche einen gewissen Slibulsky.«
    Er deutete mit dem Daumen in eine dieser dunklen Ecken. Ich bestellte Kaffee und ging unter bunten Girlanden nach hinten durch. Slibulsky saß am Bambustisch und trank Bier. Die Beschreibung paßte. Kurze schwarze Locken, aufgeplusterte Backen, unrasiert und

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