Mehr von deinen Küssen
sah Jackson seinen Neffen in Rabb Town inmitten seiner ungeschlachten Bewohner vor sich. “Ja, ich würde hoffen, dass ihm jemand hilft”, wiederholte er leise.
“Genau wie ich hoffe, dass jemand Johnny Rabb hilft. Ich bringe Mrs Rabb und den Jungen jetzt in den Warteraum, wo es gemütlicher ist. Komm bitte in ein paar Minuten nach. Unterdessen …”, der Sheriff nahm eine zweite Mappe von seinem Schreibtisch, “… sieh dir das noch an.”
Jericho war schon hinausgegangen, als Jackson die zweite Mappe aufschlug. Es waren Zeichnungen von seinen Pferden, so lebendig und naturgetreu, dass Fotos nicht genauer hätten sein können. Johnny Rabb hatte wirklich ein außergewöhnliches Talent, und er liebte Pferde. Das drückte sich in seinen Arbeiten aus. Der Junge war es wert, eine Chance zu bekommen.
Jackson war klar, dass er von Jericho geschickt manipuliert worden war. Aber es spielte keine Rolle. Wenn jemand so dickköpfig war wie er und es um eine gute Sache ging, heiligte der Zweck die Mittel.
Er würde also mit Johnnys Mutter sprechen und diesem talentierten Jungen, der offenbar ihre ganze Hoffnung war und auch – obwohl sie es bestimmt nicht wussten – die der Rabbs auf eine bessere Zukunft.
Er betrat den Warteraum und ging auf Daisy Rabb zu, die als Mutter eines Vierzehnjährigen zwar relativ alt war, aber nicht so alt war, wie er geglaubt hatte. Sie musste einmal eine hübsche Frau gewesen sein, ehe ihr hartes Leben seinen Tribut forderte. Aus ihrem Blick sprachen unbeugsamer Stolz und Intelligenz. Und die Liebe zu ihrem Sohn, der anders war als die übrigen Männer des Rabb-Clans.
Daisy Rabb war eine starke Frau, die sich von ihrem Schicksal nicht hatte unterkriegen lassen. Sie hatte den Preis dafür bezahlt. Heute Abend war sie hier, weil sie entschlossen war, dass zu diesem Preis nicht auch noch ihr jüngstes Kind gehören sollte.
Da war für Jackson klar, dass er sie in ihrer verzweifelten Suche nach Hilfe nicht zurückweisen konnte. Er nahm ihre abgearbeitete Hand und sah ihr fest in die müden Augen. “Mrs Rabb, ich bin Jackson Cade, und ich bin hier, um Ihnen zu helfen.”
Die Gaslaterne neben dem schweren schmiedeeisernen Tor war die einzige Lichtquelle in der ansonsten stockfinsteren Nacht. Der Mond war schon vor Stunden hinter immer dicker werdenden Wolken verschwunden, inzwischen auch die letzten Sterne.
Es zog ein Gewitter auf. Vereinzelt zuckten Blitze über den Horizont, in der Ferne war immer wieder Donnergrollen zu hören. Bis zum Morgen würde heftiger Regen über der Küstenregion niedergehen.
Doch das hatte Jackson nicht davon abgehalten, herzukommen, vor das Gartentor des kleinen Stadthauses in der Jessamine Street.
In der schmalen Sackgasse war es ruhig. Hier standen nur wenige Häuser, durch Gärten und Gartenmauern voneinander getrennt und nicht einzusehen, genau wie das Haus Nummer 17. Knapp drei Stunden vor Sonnenaufgang fiel keinem der Nachbarn der Mann auf, der auf der Straße auf und ab ging.
Nach einer Weile setzte Jackson sich auf die Stufen, die zu dem Weg zum wenig genutzten Vordereingang des Hauses führten. Kurz darauf wurden Scheinwerfer sichtbar, ein Wagen näherte sich. Es war Jesses Kleinlaster.
Jackson sah zu, wie der Wagen neben dem Gartentor anhielt und wie der alte Cowboy ausstieg und auf die Beifahrerseite ging.
Kaum hatte Jesse die Wagentür geöffnet, da stand er auch schon neben ihm. “Ich trage sie.”
Ohne überrascht zu sein, Jackson um diese Uhrzeit vor Haleys Haus anzutreffen, nickte Jesse und trat beiseite.
Haley schlief, halb sitzend, halb in den abgewetzten Sitz gekuschelt. In ihrem roten Abendkleid hätte sie in dem Laster völlig deplatziert aussehen müssen. Doch fehl am Platz gab es bei dieser Frau nicht, wie Jackson nun feststellte. Egal, was sie anhatte, egal, wo sie war, sie war immer sie selber, Haley Garrett, die starke, mitfühlende Frau.
“Sie ist erschöpft”, sagte Jesse, als Jackson sie auf die Arme hob. “Dass sie in meinem Wagen einfach eingeschlafen ist, wird ihr sehr peinlich sein.”
“Nein.” Jackson war es bewusst, dass Jesse ihn indirekt davor warnte, Haley noch einmal zum Narren zu halten. “Es wird ihr nicht peinlich sein. Dafür sorge ich schon.”
“Du hast dich erst heute Abend wieder mit ihr gezankt.”
“Das wird nicht mehr vorkommen.”
Jesse sah Jackson eindringlich an und erkannte, dass es ihm diesmal ernst war. Ohne weitere Ermahnungen öffnete er das Gartentor und schloss gleich darauf
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