Mein auf ewig
16-jährigen Jungen umgebracht.“
Schockiert fuhr sie hoch. „Wie bitte?“
„Er hatte ein Auto geklaut. Er war völlig zugedröhnt, wusste nicht, was er tat. Und er war bewaffnet. Er hat auf uns geschossen.“ Er holte mühsam Luft. „Ich habe erst hinterher erfahren, wie alt er war. Seine Mutter schrie mich an, wie ich ein Kind töten könnte.“
„Sie hätte sich lieber fragen sollen, wieso ihr 16-jähriger Sohn bewaffnet und mit Drogen vollgepumpt unterwegs war.“
„Sie war alleinerziehend, hatte vier Kinder und drei Jobs.“ Er sagte das, als würde es das Verhalten des Jungen entschuldigen.
Vielleicht tat es das ja auch. Vielleicht hatte die Frau nicht so viel Unterstützung bekommen wie Elises Mutter. Vielleicht lebte sie nicht in einem Wohnhaus, wo die Nachbarn jederzeit bereitwillig und begeistert Bericht erstatteten, wenn Elise und ihre Schwester die Wohnung zu anderen Zwecken als zum Schulbesuch verließen oder wenn sie irgendetwas Unerlaubtes taten. Wenn ihre Mutter nicht so überfürsorglich gewesen wäre, wären Ashley und sie vielleicht auch in größere Schwierigkeiten geraten. Vielleicht hätten sie sich genauso auf der Straße herumgetrieben wie jener junge Mann.
Das waren eine Menge Vielleichts, und Elise hätte ihr letztes Geld darauf verwettet, dass die trauernde Mutter sich selbst bereits genügend Vorwürfe gemacht hatte.
„Du hast getan, was du tun musstest.“
Trent lachte bitter auf. „Ein Glück, dass ich solche Entscheidungen nicht mehr zu treffen habe. Jetzt ist die Welt sicherer.“
„Wohl kaum. Wer weiß, was der Junge alles angerichtet hätte, wenn du ihn nicht aufgehalten hättest.“
„Ja, ja, ich weiß – der Junge war vorbestraft, er wäre ins Gefängnis gekommen, bei ihm war Hopfen und Malz verloren. Das sagt jeder.“ Aber Trent klang nicht sehr überzeugt.
„Und was glaubst du?“
„Ich denke, wir werden es nie erfahren.“
Elise griff nach seiner Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen. „Genauso wenig wirst du erfahren, wie viele Menschen du vielleicht vor den Gewaltausbrüchen dieses Jungen bewahrt hast. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man mit so etwas lebt, aber wie lange willst du dich noch dafür bestrafen?“
„Hier geht es nicht um mich.“
„Natürlich tut es das! Du hast die Arbeit aufgegeben, die du geliebt hast. Hast du das getan, weil du Angst hast, du könntest aus Versehen wieder auf den Verkehrten schießen, oder aus Angst, du triffst den Richtigen?“
„Solange ich keine Waffe mehr in die Hand nehme, passiert auch keinem was. Das hast du instinktiv gewusst, nachdem ich den Mann überwältigt hatte. Du hattest recht, als du mir die Waffe nicht geben wolltest.“
„Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Er könnte aus der Untersuchungshaft oder aus dem Gefängnis fliehen und wieder jemanden töten. Vielleicht hätte es Leben gerettet, ihn zu töten. Das werden wir auch nie mit Sicherheit wissen.“ Meine Güte, wie konnte sie bloß so überheblich sein, ihm seine eigenen Worte um die Ohren zu hauen!
Seine Finger zuckten. „Dieses Gespräch ist hier und jetzt beendet, Elise. Das Ganze geht dich nichts an.“
Seine barsche Antwort konnte sie nicht so leicht aus der Fassung bringen. Bei ihren Interviews hatte sie den Umgang mit schwierigen Menschen gelernt. So leicht würde Trent sie nicht loswerden. „Ashleys Verschwinden geht dich auch nichts an, aber das hat dich durchaus nicht abgehalten. Wieso sollte ich mich also abhalten lassen?“
„Das ist was anderes. Du brauchst meine Hilfe.“
„Vielleicht brauchst du meine genauso. Vielleicht brauchst du jemanden, der dir den Kopf zurechtrückt.“
Sie spürte, wie er die Hand zur Faust ballte. „Was ich brauche, ist, dass mich endlich alle in Ruhe lassen.“
„Damit du dich weiter in deinem Elend suhlen kannst?“
„Hör auf, Elise!“, sagte er warnend.
Leichter gesagt als getan. Dass sie nie Ruhe geben konnte, war eins der Dinge, die sie zu einer guten Journalistin machten. „Aufhören? Damit du dich weiter bemitleidest und deine ganze Familie unglücklich machst? Ist das vielleicht gerecht?“
„Gerecht wäre es gewesen, wenn jener Junge hinter seinem Pult in der Schule gesessen wäre und nicht zugedröhnt hinter dem Lenkrad eines gestohlenen Wagens. Gerecht wäre es, wenn John wieder laufen könnte. Das Leben ist nun mal nicht gerecht.“
„Das muss jemandem wie dir doch total gegen den Strich gehen – schließlich hast du dich mal entschieden, für die
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