Mein Auge ruht auf dir - Thriller
schwachen Hoffnung, Lillian könnte vielleicht doch noch aus einem der vielen Bürogebäude auftauchen, sah sie sich ein letztes Mal um, seufzte resigniert und kehrte zur U-Bahn-Station zurück.
Fünfundzwanzig Minuten später stand sie wieder vor dem Eingang zu Lillians Apartmentgebäude gegenüber dem Lincoln Center. Der Pförtner teilte ihr mit, dass Ms. Stewart nicht zu Hause sei. »In der Lobby warten auch schon eine Dame und ein Herr auf sie, Ma’am«, fügte er noch an.
Das muss Willy sein, dachte Alvirah. Und die Frau? Sie musste nicht lange überlegen, um auf Mariah zu kommen.
Damit lag sie richtig. Mariah und Willy saßen in Ledersesseln um einen runden Glastisch in einer Ecke der Lobby. Sie waren in ein Gespräch vertieft, aber als sie das Klacken von Alvirahs Absätzen auf dem Marmorboden hörten, blickten beide auf.
Mariah erhob sich und umarmte Alvirah. »Willy bringt mich gerade auf den neuesten Stand«, erklärte sie. »Anscheinend sind wir zur gleichen Schlussfolgerung gelangt: Lillian hat das Pergament, und es ist an der Zeit, sie deswegen zur Rede zu stellen.«
»Hat oder hatte das Pergament«, erwiderte Alvirah. »Willy hat es Ihnen sicherlich schon erzählt, dass sie beim Verlassen der Bank etwas in der Einkaufstasche hatte. Ich tippe darauf, dass das Pergament in ihrem Schließfach gelegen und sie es heute Morgen jemandem gebracht hat.«
Als Alvirah Willys fragenden Blick bemerkte, wusste sie, dass sie Mariah von Lillians aufgezeichnetem Anruf auf Richards Handy erzählen musste. »Mariah, das wird Sie nun vermutlich ziemlich überraschen«, sagte sie und ließ sich neben ihr nieder. Dann drückte sie auf den Abspielknopf an ihrer Brosche und ließ die Aufzeichnung ertönen.
»Unglaublich«, erwiderte Mariah und biss sich auf die bebenden Lippen. »Das heißt, Lillian hat sich heute Morgen wahrscheinlich mit Richard getroffen. Er hat geschworen , dass er das Pergament nicht gesehen hat. Und jetzt stellt sich heraus, dass er es kaufen will. Mein Gott, ich fühle mich so schrecklich hintergangen, und dabei geht es nicht nur um mich, sondern auch um meinen Vater. Er hat Richard nämlich sehr geschätzt.«
»Gut, warten wir eben auf sie«, sagte Alvirah. »Mal sehen, wie sie sich diesmal herauszureden versucht.«
Mariah rang mit den Tränen. »Alvirah, so gegen zehn Uhr hat mich Greg im Auto angerufen. Er wollte wissen, wie es mir geht und ob ich etwas von Rory gehört habe. Ich habe ihm gesagt, dass ich unterwegs zu Lillian bin, weil ich glaube, dass Dad ihr das Pergament gegeben hat. Und dass ich, wenn nötig, den ganzen Tag in der Lobby auf sie warten werde, falls sie nicht da sein sollte. Darauf meinte er, er würde um halb eins vorbeikommen, falls ich ihn bis dahin nicht angerufen und ihm abgesagt habe.«
Um zwölf Uhr zwanzig betrat Greg das Gebäude. Wohlwollend nahm Alvirah zur Kenntnis, dass er Mariah schützend den Arm um die Schulter legte, sich zu ihr hinunterbeugte und ihr einen Kuss auf die Stirn gab. »Sie ist noch nicht aufgetaucht?«, fragte er.
»Nein«, antwortete Willy. »Aber ich habe einen Vor schlag. Greg, gehen Sie mit den Damen doch etwas essen, mir können Sie dann ja ein Sandwich mitbringen. Alvirah und Mariah, ich verspreche euch, ich rufe sofort an, wenn sich hier etwas tut. Der Pförtner wird ihr natürlich gleich sagen, dass ich auf sie warte. Und vielleicht will sie von mir auch gar nichts wissen und stürzt sofort zum Lift und verschanzt sich in ihrer Wohnung, aber dann könnt ihr sie immer noch anrufen und ihr die Aufzeichnung vorspielen. Und wenn sie sich querstellt, sagt ihr, dass ihr damit zur Polizei geht. Glaubt mir, sie wird mit uns reden.«
»Eine ausgezeichnete Idee«, erwiderte Greg. »Nach dem Essen muss ich allerdings gleich nach New Jersey. Ich bin dort um drei mit den Detectives verabredet.«
47
W ally Gruber saß auf Rikers Island im Besucherraum und hörte mit säuerlicher Miene Joshua Schultz zu, der von seinem Gespräch mit dem Stellvertretenden Generalstaatsanwalt Peter Jones berichtete.
»Sie sagen mir also, ich soll mit der Beschreibung des Typen herausrücken, der den Professor auf dem Gewissen hat, und dafür bekomme ich dann das halbseidene Versprechen, er würde ein gutes Wort für mich einlegen, bevor der Richter mich einbuchtet?« Wally schüttelte den Kopf. »Nein, so läuft das nicht.«
»Wally, Sie sind nicht unbedingt in der Position, For derungen zu stellen. Was wäre denn, wenn Sie mit einem Bild von jemandem
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