Mein Auge ruht auf dir - Thriller
ermordet wurde, Mr. Pearson?«, fragte Rita.
Greg sah ihr fest in die Augen. »Wie ich Ihnen schon letzte Woche sagte, Detective Rodriguez, ich habe mich den ganzen Montagabend in meinem Apartment im Time Warner Center in Manhattan aufgehalten. So um sechs war ich im Per Se im dritten Stock beim Abendessen, danach bin ich in mein Apartment gegangen.«
»Sie haben allein gegessen?«
»Nach dem geschäftigen Tag im Büro war ich froh, für mich sein zu können, und um Ihrer nächsten Frage gleich zuvorzukommen, ich war auch den gesamten Abend über allein in meiner Wohnung.«
Benets abschließende Frage drehte sich um Charles Michaelson. »Halten Sie es für möglich, dass Professor Lyons ihm das Pergament anvertraut hat?«
Greg sah aus, als ringe er mit seinen widerstreitenden Gefühlen. Dann sagte er: »Ich kann mir vorstellen, dass Jonathan Lillian das Pergament anvertraut hat, ebenso kann ich mir vorstellen, dass sie Charles davon erzählt hat. Allen weiteren Spekulationen will ich mich enthalten.«
52
E ine Stunde später saß Charles Michaelson auf dem Stuhl, auf dem vor ihm schon Albert West und Greg Pearson gesessen hatten. Sein massiger Körper bebte vor Zorn, als er den Detectives hitzig erwiderte: »Nein, ich habe das Pergament kein einziges Mal gesehen. Wie oft muss ich Ihnen das noch sagen? Wenn jemand behauptet, ich würde es zum Verkauf anbieten, dann lügt er.«
Als Benet ihm sagte, man werde auch die Person befragen, die das Gerücht in die Welt gesetzt hatte, blaffte Michaelson: »Nur zu. Aber richten Sie ihm aus, dass üble Nachrede strafbar ist!«
Auf die Frage, wo er sich am Abend von Jonathan Lyons’ Tod aufgehalten habe, entgegnete er: »Noch mal und ganz langsam zum Mitschreiben, damit Sie es endlich kapieren: Ich war in meiner Wohnung am Sutton Place. Ich bin um halb sechs nach Hause gekommen und habe die Wohnung erst am nächsten Morgen wieder verlassen.«
»War jemand bei Ihnen?«, fragte Benet.
»Nein. Zum Glück lebe ich seit meiner Scheidung allein.«
»Haben Sie an diesem Abend irgendwelche Anrufe erhalten, Mr. Michaelson?«
»Nein. Moment, so gegen neun hat das Telefon geklingelt. Ich habe gesehen, dass es Albert West war, aber da ich keine Lust hatte, mit ihm zu telefonieren, bin ich nicht drangegangen.«
Abrupt erhob er sich. »Sollten Sie weitere Fragen haben, können Sie sie ja schriftlich an meinen Anwalt weiterleiten.« Er griff in seine Tasche und warf Benet eine Visitenkarte auf den Schreibtisch. »Hier haben Sie seinen Namen und seine Anschrift. Guten Tag.«
53
R ichard Callahans Befragung war für vier Uhr angesetzt. Als er Viertel vor fünf immer noch nicht aufge taucht war, versuchte Benet, ihn auf dem Handy zu erreichen. Sofort sprang die Mailbox an. Frustriert hinterließ Benet eine unwirsche Nachricht: »Mr. Callahan, soweit ich weiß, waren wir unmissverständlich um sechzehn Uhr mit Ihnen verabredet. Rufen Sie mich unbedingt zurück, sobald Sie diese Nachricht abhören, damit wir einen neuen Termin vereinbaren können, vorzugsweise für morgen. Ich gebe Ihnen ein weiteres Mal meine Handynummer …«
54
M ariah, Alvirah und Willy hatten Lillians Apartmentgebäude verlassen, überquerten zusammen die Straße und steuerten das Parkhaus des Lincoln Center an, wo sie, nur wenige Reihen voneinander entfernt, ihre Autos geparkt hatten. Alvirah versprach Mariah, sie sofort anzurufen, falls der Pförtner Lillians Rückkehr meldete.
Mariah ließ noch einmal sämtliche Ereignisse des Tages Revue passieren, während sie nach New Jersey zurückfuhr. Sie wollte in der Nähe ihrer Mutter sein, falls sie die Erlaubnis bekam, sie zu besuchen. Als sie den Wagen in der Anfahrt abstellte und zur Haustür ging, den Schlüssel zückte, aufsperrte und eintrat, fühlte sie sich unendlich müde. Bis auf die letzten Tage war sie hier so gut wie nie allein gewesen. Nun, sagte sie sich, dann gewöhne dich schon mal daran. Sie legte die Handtasche auf dem Tisch im Flur ab und ging in die Küche. Sie hatte Betty freigegeben, also setzte sie jetzt selbst den Kessel auf und machte sich eine Tasse Tee, die sie mit nach draußen auf die Terrasse nahm.
Sie ließ sich auf einem Sessel am Schirmtisch nieder und betrachtete die frühabendlichen Schatten, die über die bläulich grauen Pflastersteine fielen. Der bunte Schirm war nicht aufgespannt, weckte aber Erinnerungen an einen Abend vor etwa zehn Jahren, als ihre Eltern hier gesessen hatten und ein Sommergewitter aufgezogen war. Der
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