Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein bestes Stuck

Mein bestes Stuck

Titel: Mein bestes Stuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hepburn Lucy
Vom Netzwerk:
»Das ist sie, die Tochter, die dem armen Jaques Deschanel so viele Sorgen bereitet hat.« Oder würden sie sie gar nicht mehr erkennen? Warum sollte sie jedenfalls ihre Trauer öffentlich zeigen müssen?
    Aber sie musste es tun – für Luc. Und für ihren armen Vater. Und für ihre geliebte Mutter. Und für jahrzehntealte Traditionen, die ihr Recht nach Ritualen forderten, so dass man sich davon überzeugen konnte, dass alles seinen geregelten Gang ging und man einem Erbe Respekt zollte.
    Der Kaffee schmeckte hervorragend. Sie saß an dem schweren Holztisch und atmete mit geschlossenen Augen das köstliche Aroma der Arabica-Bohnen ein. Kein Wunder, dass sie ihre Ankunft im Château so herausgezögert hatte. Jahrhundertealte Tradition lastete auf ihren – und Lucs – Schultern. Die ganze Gemeinde war darauf angewiesen, dass sie an dem Begräbnis teilnahm. Wenn das kein Druck war!

    Da standen sie also, sie und ihr kleiner Bruder, kurz vor der Beerdigung ihres Vaters, und sie spielten die Gastgeber für zwei vollkommen Fremde aus Schottland. Und nicht zu vergessen für den verfluchten Lorenzo Landini. Kein Dichter hätte sich so etwas je ausdenken können.
    Eleonore versuchte, ihren Kaffee zu genießen und jegliche Gedanken an die Mission, die ihr früher oder später bevorstand, auszublenden. Sie würde Julia von Lorenzos Annäherungsversuchen am Abend zuvor erzählen müssen. Allein der Gedanke daran versetzte sie in Panik. Wie genau stellte man es an, die Zukunft einer so gutherzigen Person zu zerstören? Sollte sie einfach sagen: »Übrigens, Julia, Lorenzo hat die letzten zwei Tage ununterbrochen versucht, mich anzubaggern, und ehrlich gesagt geht mir das ganz schön auf die Nerven«? Oder sollte sie subtiler vorgehen, damit aber riskieren, dass ihre Wut verebbte und Julia sich zu einer vehementen Verteidigung ihres Mannes aufschwang?
    Julia war hochintelligent, das hatte Eleonore längst bemerkt. Außerdem hatte sie diese seltene Gabe vorbehaltloser Güte, die wohl selbst für Menschen wie Lorenzo hart zu zerstören wäre. Sollte sie also vielleicht lieber gar nichts sagen? Sollte sie Julia ihr eigenes Leben und ihre eigenen Fehler machen lassen?
    Wahrscheinlich würde sie ihr ohnehin nicht glauben. Diese Frau schien geradezu darauf programmiert zu sein, nur das Gute in den Menschen zu sehen. Warum also sollte sie sich überhaupt die Mühe machen? Womöglich hielt Julia ihren Vorstoß sogar für verletzte Eitelkeit. Julia musste ihr gegenüber doch längst misstrauisch sein – nach all
den Stunden, die sie mit Lorenzo in der Gartenlaube verbracht hatte.
    Aber was wäre, wenn Simon ihre Geschichte bestätigen würde? Genau! Die Idee versetzte Eleonore in Aufregung. Sie würde Simon suchen und zusammen würden sie mit Julia sprechen. Was für ein Gedanke – Simon und sie auf derselben Seite. Simon würde sich freuen, dass sie ihn einmal um Beistand bitten und nicht abweisen würde. Außerdem hätte sie dann Gelegenheit, ihm ihre Gefühle anzuvertrauen …
    Im Nachhinein schien es Eleonore geradezu unglaublich, dass sie so lange Zeit versucht hatte, Simon aus ihrem Leben zu drängen. Mit einem Mal war das Verlangen, ihn zu sehen, überwältigend groß, und Eleonores Herz pochte wie wild. Wenn sie ihm nicht ganz bald sagte, was ihr Herz ihr seit Tagen – wenn nicht seit Jahren – zuflüsterte, dann würde sie explodieren.
    Eleonore schnappte sich ihren Mantel und stürmte aus dem Haus. Eilig ging sie den kleinen Weg am Château entlang in Richtung Dorf. Simons Eltern lebten am äußersten Dorfrand, circa zwanzig Minuten zu Fuß vom Château entfernt. Eleonore hoffte inständig, Simon habe sich nach den Ereignissen des Vortages dorthin zurückgezogen …
    Nachdem sie gestern Abend nach ihrer Unterredung mit Lorenzo zu den anderen zurückgekehrt war, hatte sich Simon bereits verabschiedet. Typisch, er wollte den Deschanels und ihren Gästen einfach ihre Ruhe und ihren Frieden gönnen.
    Ihre Entschiedenheit verstärkte sich mit jedem Schritt, den sie auf dem schmalen Weg zum Dorf zurücklegte. Wie
konnte sie all die Jahre nur so dumm gewesen sein? Simon bedeutete ihr einfach alles, und er liebte sie, und trotzdem hatte sie ihn abgewiesen.
    Oh bitte, bitte, lass ihn da sein, und gib mir eine letzte Chance, ihm zu zeigen, dass ich bereit bin, ihn zu lieben …
    Aber vielleicht hatte sie ihn ja schon für immer verloren? Abrupt blieb sie stehen. In ihrem Kopf drehte sich alles. Was bildete sie sich eigentlich ein?

Weitere Kostenlose Bücher