Mein bestes Stuck
selbst wenn er heute vielleicht nicht seinen besten Tag gehabt hatte – was machte das schon! Man musste ihn doch nur anschauen und sich an seinem Anblick erfreuen.
»Julia«, sagte er, »wir fragten uns schon, ob wir dich heute wohl noch einmal zu Gesicht bekommen würden.«
Julia ging zu ihm hinüber und schlang die Arme um seinen Hals. »Ach, komm schon, Renzo. Du weißt doch, ich würde niemals irgendwo hingehen, ohne dir vorher Bescheid zu sagen.«
Lorenzo lächelte sie an und griff dann nach seinem Cognacschwenker.
»Ein Toast, wenn ich bitten darf, Ladys und Gentlemen.«
»Renzo, hör auf!« Julia trat einen Schritt zurück. »Ist es nicht schon ein bisschen spät für solche Reden?«
»Niemals!«, erklärte er. Dann erhob er sein Glas, als säßen in dem Zimmer keine fünf, sondern fünfhundert Leute, und rief laut aus: »Auf Julia Douglas! Meine zukünftige Braut …«
»Lorenzo, hör auf!«
»Auf Julia Douglas, die Frau, die ich lieben werde bis ans Ende meiner Tage!«
Kapitel 27
E leonore hatte anderes erwartet, die frische Morgenluft schien wie geschaffen für einen Neuanfang. Nach dem Streit mit Lorenzo am vergangenen Abend hatte sie auch nicht erwartet, überhaupt Schlaf finden zu können.
Doch als sie in die Küche kam, schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Sie biss in ein frisches Croissant und nahm sich eine Tasse Kaffee. Lorenzo Landini hatte es nicht anders verdient. Sie hatte keine Ahnung, wo sie die Kraft und den Mut hergenommen hatte, ihm gestern auf der Veranda derart die Meinung zu sagen, doch sie wusste, sie würde genau das wieder tun, wenn sie müsste.
Casper, der magere Kater, der immer wieder in der Küche vorbeikam, miaute und verlangte nach Futter. Eleonore konnte Katzen nicht ausstehen. Sie wusste genau, wie sie tickten. Die Tiere waren genau wie sie selbst: Sie schlugen sich allein durch – wen kümmerte es da schon, wenn sie auf ihrem Weg dem einen oder anderen auf die Nerven gingen.
»Geh und fang dir eine Maus!«, rief sie dem Tier zu. »Dafür bist du gemacht. Ich bin nicht so freundlich wie Marie-Louise.«
Beleidigt trollte sich der Kater. Sein grauweißer Schwanz tänzelte dabei so provozierend von dannen, als wolle der
Kater Eleonore seine Version des Mittelfingers zeigen, weil sie ihn so kaltherzig hatte abblitzen lassen. Eleonore grinste. Das machte nun schon zwei männliche Wesen innerhalb der letzten zwölf Stunden, denen sie gezeigt hatte, dass mit ihr nicht zu spaßen war.
Die Küche wirkte heute in ihren Augen so viel kleiner. Als Kind hatte sie hier die Tage mit Yolande verbracht, der matronenhaften Köchin der Deschanels, die in der Küche ein eisernes Regiment geführt hatte. Eleonore erinnerte sich, auf einem alten Wäschekorb gestanden und Yolande beim Backen geholfen zu haben. Ah, Yolande! Wie sehr hatte sie sich doch um das Wohl der Familie und vor allem um das von Jaques Deschanel gesorgt. Immer wieder hatte sie seine Lieblingsgerichte gekocht. Lieblingsgericht, um Lieblingsgericht, um Lieblingsgericht. Bis die einzelnen Familienmitglieder ihr reihum unter großen Schuldgefühlen gebeichtet hatten, dass sie all die Cassoulettes , Bœuf Bourguignons und Clafoutis nicht mehr sehen konnten …
Eleonore wusste, dass Yolande zur Beerdigung kommen würde. Die gute, pensionierte Köchin würde mit ihrem Geheule alle anderen übertönen. Yolande hatte immer schnell geweint. Egal ob der Eintopf zu warm war oder auf dem Tisch kalt wurde oder ob Monsieur Deschanel zu spät nach Hause kam und das Essen somit verdorben war – Yolande weinte dicke Krokodilstränen, und üblicherweise war es Eleonore, die sie getröstet hatte.
Auch Simon hatte sich früher oft in der Küche aufgehalten. Er war ein typischer, immer hungriger Teenagerjunge gewesen. Und Yolande liebte ihn, weil er ihr immer half,
Kartoffelsäcke oder Feuerholz zu tragen. Ständig kam er in die Küche gerannt, um zu fragen, was es zu Essen gegeben hatte, nur um dann gierig die Reste zu verputzen und Yolande zu sagen, dass er wünschte, sie würde bei ihm und seinem Vater leben. Das waren schöne Zeiten gewesen …
Eleonore fürchtete sich vor der Beerdigung. Sich öffentlich von ihrem Vater zu verabschieden fühlte sich irgendwie nicht richtig an. Warum sollte man eine so intime, endgültige Angelegenheit vor aller Augen austragen? Und dann all diese Menschen. Was wussten die schon über sie? Sie würden sie anstarren, wenn sie die Kapelle betrat, mit den Köpfen schütteln und denken:
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