Mein bestes Stuck
übergeschnappt! Je mehr Kilometer wir zwischen uns und sie bringen, umso besser.«
»Ach, findest du das jetzt nicht ein kleines bisschen übertrieben?«, versuchte Onkel Quinn ihn umzustimmen. »Auf mich macht sie einen anständigen Eindruck. Ein bisschen temperamentvoll von Zeit zu Zeit vielleicht, aber das mag an den Haaren liegen. Ihr wisst ja, was man über Rothaarige im Allgemeinen …«
Lorenzo seufzte genervt. »Aber du kennst nicht die ganze Geschichte.«
»Dann schieß mal los, ich bin ganz Ohr.«
Lorenzo sah Onkel Quinn beinahe triumphierend an – zumindest schien es Julia so. »Eigentlich wollte ich das deiner Nichte ja ersparen, Quinn, aber gestern … nun, gestern Abend hat Eleonore versucht, mich zu verführen.«
»Nein!«, rief Julia. »Eleonore würde nie … du würdest nie …«
»Natürlich würde ich nie!«, gab Lorenzo zurück. »Aber ich musste mich ganz schön ins Zeug legen, um sie abzuwimmeln, das kann ich euch mal sagen. Immer wieder hat sie etwas davon gestammelt, dass wir doch so gut zusammengepasst hätten. Einfach unglaublich, sage ich euch. Ich sagte ihr, dass ich mit Julia verlobt sei, und damit basta.«
Julia wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Wann würden diese Deschanels endlich aufhören, ihr das Leben schwerzumachen? Erschöpft lehnte sie ihren Kopf gegen die Scheibe. Sie wollte einfach nur nach Hause. Nach Hause zu ihrer Mutter.
Der Flug ging ohne weitere Zwischenfälle vonstatten. Sie waren wirklich auf dem Weg nach Hause! Julia saß zwischen Lorenzo und Onkel Quinn und fühlte sich ausgelaugt. Eigentlich sollte sie in freudiger Stimmung sein, weil sie endlich nach Hause kam und sich auf ihre Hochzeit konzentrieren konnte. Doch die letzten Tage hatten ihre Stimmung erheblich gedrückt. Es war so anstrengend gewesen. Pah, die meisten Bräute, so wusste Julia aus ihren Modezeitschriften, verbrachten die Woche vor der Hochzeit in irgendwelchen Wellnesstempeln, ließen sich verwöhnen
und machten die letzten Feinkorrekturen bei der Blumendekoration und der Sitzordnung.
Lorenzo war in seine Zeitung vertieft, und Onkel Quinn führte, mit einem Cognac in der Hand, eine angeregte Unterhaltung mit einer älteren Französin, die auf der anderen Seite des Ganges saß. Seufzend setzte sich Julia die Kopfhörer ihres iPods auf, warf Lorenzo einen kurzen schuldbewussten Blick zu und stellte dann Luc Deschs Musik ein. Sie wusste, das war keine gute Idee, doch sie wünschte sich nichts mehr als einen letzten Widerhall der Welt, die sie soeben hinter sich gelassen hatte.
Jetzt, da sie den Mann hinter der Stimme kannte, klang die Musik so anders. Sie hatte das Gefühl, die Texte nun wirklich zu verstehen, und warum er diese oder jene Silbe mehr betonte als andere – er konnte es gar nicht anders singen. Gedankenversunken fragte sich Julia, was sie wohl tun würde, wenn Luc – rein hypothetisch gesehen – seine Band wieder zusammentrommeln und auf Tour gehen würde. Würde sie zu seinem Konzert kommen? Oder besser gesagt, würde sie im Anschluss daran hinter die Bühne gehen?
Julia bemerkte kaum, wie das Flugzeug auf dem Boden aufsetzte. Im Grunde trat sie erst wieder in die Realität ein, als sie im Terminal ihr Handy einschaltete und sah, dass sie einen verpassten Anruf hatte. Nein, sie hatte sieben versäumte Anrufe! Und alle von Eleonore Deschanel.
»Renzo, schau mal!«, rief sie und hielt ihm ihr Telefon hin.
Doch Lorenzo war mit seinem Koffer beschäftigt und hörte ihr gar nicht zu. Julia überlegte kurz. Musste Lorenzo
wirklich wissen, dass Eleonore versucht hatte, sie zu erreichen? Schnell löschte sie die Anrufliste und schaltete das Telefon wieder aus.
»Hast du etwas gesagt?«, fragte Lorenzo, als er das Gepäck auf dem Wagen deponiert hatte.
»Ach, nichts – oh, sieh mal, da ist Mummy! Mummy!«
Julia rannte los und warf sich ihrer Mutter überglücklich in die Arme.
»Die verschwundene Braut, sie lebe hoch!«, lachte ihre Mutter und umarmte sie fest. »Willkommen zu Hause, Liebes. Ich hatte schon befürchtet, ich müsse morgen einspringen, zusammen mit deinem Vater.«
»Müsste es denn unbedingt mit ihm sein?«, sagte Onkel Quinn und nahm die beiden Frauen in den Arm. »Dennoch hättest du in jedem Fall natürlich göttlich ausgesehen!«
»Lorenzo, willkommen!« Frances Douglas löste sich von ihrer Tochter und ihrem Bruder, um ihren zukünftigen Schwiegersohn zu begrüßen. Es war schon erstaunlich, dass Lorenzo ihre Eltern erst einmal gesehen
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