Mein bestes Stuck
ihrer Suche führte sie durch einen Gang mit klingelnden und blinkenden Spielautomaten. Frauen mit weißen Plastikbechern saßen mit dem Rücken zu ihr und fütterten die Maschinen so eifrig mit Münzen, als handle es sich um ihre hungrigen Kinder.
Die meisten von ihnen konnte sie sofort aufgrund der grauen Haaren oder ihrer Körperfülle ausschließen, doch die jüngeren Frauen würde sie sich auch von vorne ansehen müssen. Also setzte sie zu einem Slalom zwischen den Spielautomaten hindurch an, schlenderte langsam voran, drehte dabei so unauffällig wie möglich ihren Kopf, um die Frauen zu mustern, nur um sich dann mit einem süßlichen »Pardon!« zu entschuldigen, sobald sie festgestellt hatte, dass es sich bei der Kandidatin wieder nicht um Eleonore handelte. Keine der Spielerinnen machte auch nur im Mindesten den Eindruck, als hätte sie Julia überhaupt wahrgenommen. Sie schienen wie hypnotisiert von den blinkenden Lichtern und der Aussicht auf einen üppigen Gewinn.
Die Luft in dem Raum war stickig, und der weiche Teppich unter Julias Füßen fühlte sich zäh und klebrig an. Durch das Stimmengewirr und die laut klingelnden Automaten war die Klaviermusik im Hintergrund nur ganz schwach wahrnehmbar. Julia fühlte sich plötzlich schwindelig. Sie hielt an einem Roulettetisch an und beobachtete fasziniert, wie die kleine Kugel in dem Rad hin- und herhüpfte.
Ganz langsam verstehe ich wirklich, warum Leute süchtig nach einem solchen Ort werden. Es ist geradezu ein Paralleluniversum! Ob die hier Betäubungsmittel durch die Klimaanlage pumpen?
»Mademoiselle, möchten Sie vielleicht etwas trinken?«
Der Mann, der vor ihr aufgetaucht war, sah aus, als sei er direkt einem Casanova-Casting entsprungen. Sein cremefarbener Anzug saß ein kleines bisschen zu eng im Schritt,
das violette Hemd, das er darunter trug, war fast bis zum Bauchnabel aufgeknöpft, und schon der erste Blick auf das luxuriöse Diamantkreuz, das in seinem üppigen Brusthaar schlummerte, verriet Julia, dass es sich bei dem Schmuck um eine ganz miese Fälschung handelte.
»Sind Sie etwa allein hier? Das kann doch nicht sein. Erlauben Sie, dass ich Ihnen Gesellschaft leiste!« Seine Haut war von einem schimmernden Ölfilm überzogen, was gut zu seinem schwarzen, streng zurückgekämmten Haar passte, von dem einige fettige Strähnen schwer über seine Ohren hingen.
Julia spürte, wie sie mit ihrer Geduld am Ende war. »Ich glaube nicht!«, antwortete sie so bestimmt wie möglich und schob sich an ihm vorbei. »Entschuldigen Sie bitte.«
Sie schüttelte sich und schloss kurz die Augen, um ihre Fassung wiederzugewinnen. Als sie die Lider wieder öffnete, erblickte sie plötzlich eine große schlanke Frau, die an einem Black-Jack-Tisch in einigen Metern Entfernung saß.
Da! Das ist sie!
Ganz ohne Zweifel, dort, bildschön und selbstsicher, saß Eleonore Deschanel.
Julias Herz machte einen Satz. Mit all ihren Aktionen, dem plötzlichen Auftauchen und Verschwinden, war Eleonore in Julias Vorstellung geradezu zu einem Fabelwesen geworden, doch da war sie nun tatsächlich. Sie schien voll und ganz auf ihr Spiel konzentriert, und Julia konnte nur den Blick auf ihr Profil erhaschen: die blasse Haut, das volle, rotbraune Haar, die ausgeprägte, vielleicht ein klein bisschen zu groß geratene Nase, ihre zarte Figur. Sie verfügte
über eine nonchalante, fast aristokratische Eleganz, genau wie sie es sich vorgestellt hatte.
Langsam näherte sich Julia dem Tisch, hielt dann jedoch inne. Wo war Luc? Sie stellte sich auf Zehenspitzen, um die Spieler und umstehenden Menschen zu überblicken, aber sie konnte ihren Begleiter nicht ausmachen. Dann würde sie es wohl oder übel allein versuchen müssen. Sie hatten jetzt keine Zeit mehr zu verlieren.
Eleonore schien gerade einen weiteren Einsatz machen zu wollen. Graziös beugte sie sich vor und griff nach ihrer Tasche.
Julia hielt den Atem an und schlug sich die Hand vor den Mund. Es war ihre Tasche.
Eleonore wühlte einen Moment lang darin und holte schließlich einen Stapel Jetons hervor, die sie dem Croupier zuschob. Die Tasche hatte sie nun neben sich auf dem Tisch abgestellt. Julia blinzelte. Konnte es sein, dass Eleonores Finger leicht zitterten?
Als sie neben Eleonore angelangt war, sagte sie zunächst nichts zu ihr. Sie nahm einfach nur Eleonores Handtasche von ihrer Schulter und setzte sie sanft neben ihre eigene auf dem Spieltisch ab.
Erst nach einigen Sekunden bemerkte Eleonore, was soeben
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