Mein bestes Stuck
ist einfach unglaublich!«, sagte sie nach einer Weile. »Was sie dir angetan hat, meine ich.«
»Wer? Ludivine?«, fragte Luc und wandte sich ihr zu. »Ich bin froh, dass du so denkst.«
»Ich glaube, ihr Verhalten sagt sehr viel mehr über sie aus als über dich, Luc. Wie konnte sie nur so ungerecht dir gegenüber sein.«
»Sie war noch sehr jung«, warf Luc ein, auch wenn Julia merkte, dass ihr Zuspruch ihm guttat. »Vierundzwanzig, fünfundzwanzig vielleicht …«
»Also ehrlich! Das ist doch wohl alt genug, um den Unterschied zwischen Richtig und Falsch zu kennen. Es ist, als hätte alles an dir, deine Liebenswürdigkeit, deine Großzügigkeit, deine Fähigkeit zu echtem Mitgefühl, einfach alles plötzlich keinen Wert mehr, und das nur wegen Ludivines dummen Vorurteilen gegenüber dem Haus, in dem du aufgewachsen bist. Und das hast du dir ja nun wahrlich nicht selbst ausgesucht, oder? Und selbst wenn du es getan hättest – was wäre falsch daran? Es erfordert viel Einsatz, ein Stück Land zu bestellen, Traditionen zu wahren, Menschen eine Arbeit zu geben, ach, ich weiß auch nicht, einfach das Beste daraus zu machen, was man vom Leben zugespielt bekommt … Was ist? Was ist los mit dir?«
Luc lachte. Er lachte sie nicht aus, sondern – wenn Julia es nicht vollkommen falsch deutete – er lachte einfach aus Freude.
»Komm schon, was ist los?«
»Na ja«, setzte er an, als er sich beruhigt hatte, »ich bin nicht sicher, was genau es war, aber eigentlich finde ich all das, was du da eben gesagt hast, einfach nur toll. Weißt du, so habe ich die Dinge noch nie gesehen, Julia. Ich fühle mich oft schuldig, weil ich zu den sogenannten Privilegierten gehöre. Ich danke dir. Danke, dass du auf meiner Seite bist.«
»Wo sonst sollte ich stehen?«, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen, drehte sich dann jedoch abrupt weg und errötete. Vielleicht war das jetzt doch zu viel des Guten.
Luc sah wieder auf seine Schuhe. »Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?«
»Schieß los.« Julia hielt den Atem an.
»Wieso warst du Eleonore gegenüber gestern so ruhig? Ich schäme mich so wegen der Geschichte mit den Trauringen. Du hättest jedes Recht gehabt, sie anzubrüllen, die Polizei zu rufen … Immerhin hat eine Fremde deine Trauringe aufs Spiel gesetzt!«
Julia verschränkte die Finger ineinander. »Ich habe mich gestern Abend noch mit ihr unterhalten. Sie ist dir sehr ähnlich, Luc. Stark und …« Sie brach ab. Sie wollte »leidenschaftlich« sagen, denn das war das einzige passende Wort, doch sie spürte, es war unangebracht. »Ich bemühe mich sehr, Menschen nicht nach dem ersten Eindruck zu beurteilen. Meine Eltern in Edinburgh sind beide Anwälte,
ebenso meine älteren Geschwister. Ich bin in dieser Hinsicht das schwarze Schaf in der Familie. Wir vom Douglas-Clan scheinen jedenfalls irgendwie genetisch darauf programmiert zu sein, die Wahrheit hinter der Fassade herauszufinden. Ach, was rede ich denn! Hört sich das jetzt selbstgefällig an? Das wollte ich nicht …« Zerknirscht sah sie Luc an, der jedoch den Kopf schüttelte.
»Kein bisschen.«
»Es ist einfach so, dass meist so viel mehr in den Leuten steckt, als der erste Eindruck vermuten lässt, und es ist wichtig, das herauszufinden. Meine Mutter hat mir das mein ganzes Leben lang eingetrichtert. Sie hat ein sehr starkes Gerechtigkeitsgefühl, so etwas habe ich bislang bei niemandem sonst so erlebt. In ihrer Jugend hat sie sich sehr stark politisch und sozial engagiert. Es gibt sogar Bilder von ihr, als sie in ihrer Jugend in Glasgow für Menschenrechte demonstriert hat.«
»Hört sich nach einer außergewöhnlichen Frau an.«
»Sie ist einfach die geborene Anwältin. Mein Vater hatte dagegen – bis er meine Mutter traf – vor allem seine eigene Karriere im Sinn. In unserer Familie heißt es immer, meine Mutter hätte den Verlauf seiner beruflichen Laufbahn entscheidend beeinflusst. Mein Vater kam aus einer wohlhabenden Familie mit eindrucksvollem Familienstammbaum und großem Anwesen – ein bisschen wie du, denke ich, und seine ganze Karriere auf dem Finanzmarkt war für ihn vorgeplant … Doch dann hat er eben Mum getroffen. Ich glaube, durch sie hat er sein Gewissen entdeckt. Sie hat ihm die kleinen Dinge nähergebracht, die mehr mit Menschlichkeit als mit Geld zu tun haben.«
»Hört sich an, als wären sie das perfekte Paar«, sagte Luc.
»Ich wünschte, du könntest meine Mutter kennenlernen!« Julia lachte. »Aber
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