Mein bestes Stuck
der Kraft, die sie noch aufbringen konnte, löste sie sich von ihm.
»Luc, ich kann nicht!«, sie keuchte und wusste, dass ihr Körper genau das Gegenteil wollte. »Es … es tut mir leid! Ich muss jetzt gehen.«
Julia stolperte zum Eingang der Weinkammer. Draußen regnete es noch immer in Strömen, und es war wieder lauter Donner zu hören. Das Gewitter kam zurück.
»Julia!« Lucs Stimme war eindringlich. »Du kannst da nicht raus! Es ist zu gefährlich!«
»Hierzubleiben ist es aber auch!«, rief sie, atmete einmal tief ein und rannte hinaus in den Sturm.
Sie bemerkte den Regen und die riesigen Pfützen kaum, die sich auf dem Rasen ausgebreitet hatten, während sie auf das Haus zulief. In ihrem Kopf drehte sich alles. Was hatte sie nur getan? Und was hatte sie nicht getan? Sie brauchte Abstand zu Luc Deschanel. Ängstlich blickte sie über ihre Schulter. Luc rannte hinter ihr her, wenn auch mit einigen Metern Abstand. Sie zog das Tempo an. Sie musste ins Haus kommen, nach oben rennen, in Windeseile packen und ein Taxi zum Flughafen nehmen …
Als sie schließlich triefnass durch die Terrassentür in den Salon stolperte, traf sie der Anblick völlig unvorbereitet.
»Schätzchen, du solltest dir rasch ein Handtuch holen. Du bist wahrlich in keinem angemessenen Zustand, um deinen Besuch zu empfangen.«
Julia blinzelte die Wassertropfen weg. Neben Onkel Quinn stand ein braungebrannter Mann mit leicht verwirrtem Gesichtsausdruck: Lorenzo.
Kapitel 17
D ie Familiengruft der Deschanels lag unter der kleinen steinernen Kapelle am äußersten Ende des Gartens. Eleonore hatte sich nie vor der Gruft gefürchtet, sie hatte sie lediglich gemieden. Die Bedeutung der Grabstätte, der Zusammenhang von Tod und den Generationen danach, die mit dem Leben weitermachten, schienen dem damals kleinen Mädchen einfach zu groß und zu gewaltig.
Nun aber saß Eleonore ganz still da, zwischen den kühlen Steinwänden, auf der oberen Stufe zur Grabkammer. Das Geräusch des Regens draußen wirkte merkwürdig beruhigend auf sie, während sie, umringt von ihren Vorfahren, ihren Gedanken nachhing. Die gespenstische Düsterheit um sich herum nahm sie gar nicht wahr.
In der Mitte der Krypta war bis zur Beerdigung am Samstag der Sarg ihres Vaters aufgebahrt. Endlich hatte sie es geschafft hierherzukommen, um bei ihm zu sein, Frieden mit ihm zu schließen oder einfach nur mit sich selbst. Um einfach nur zu sein.
Ein paar Tränen stahlen sich ihre Wangen hinunter, und sie war froh darüber. Doch auf die Leere und Taubheit, die sie beim Anblick des Sarges empfand, war sie absolut unvorbereitet. Ihr Kopf war voll gewesen mit einem Durcheinander von Fragen, aber ihre eigene Verwirrung darüber,
dass keinerlei Antworten auf sie herunterregneten wie bei einer himmlischen Erleuchtung, überraschte sie selbst. Sie hatte gehofft, hier inneren Frieden zu finden. Doch stattdessen musste sie sich mit dem wohltuenden Gefühl begnügen, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben zu wissen, dass sie das Richtige tat.
»Papa«, flüsterte sie, »ich bin hier.«
Staubkörnchen tanzten in dem fahlen Licht, das durch das kleine Fenster in die Kammer fiel, während es draußen immer noch stürmte.
»Ich habe totalen Mist gebaut. Und ich bin zu spät gekommen. Aber jetzt bin ich da.« Dann murmelte sie mit der leisen, bockigen Stimme eines Kindes: »Wo bist du nur?«
Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und atmete laut aus.
»Eleonore?«
Sie sprang auf. Die Stimme kam aus einer dunklen Ecke in der Nähe der Tür. Eleonore kniff die Augen zusammen und konnte schemenhaft eine Silhouette wahrnehmen. Sie war groß und vertraut. Es war Simon.
»Was machst du denn hier?«, rief sie erschrocken. »Bist du mein Schatten, oder was?«
Er trat aus der Ecke hervor und ging auf sie zu.
»Ich war schon hier drin, als du hereingekommen bist, also bin ich geblieben, falls du … falls du jemanden brauchst.«
»Was dachtest du denn, was ich hier tue?«, fragte sie schnippisch. »Die Kupfergriffe vom Sarg abschrauben, um sie dann zu verscherbeln?«
Simon schloss die Augen, als wolle er sich vor ihrem Angriff verschließen. Das gefiel Eleonore. Gut so. Ein direkter Treffer.
Sie erwartete, dass er sich umdrehte und ging. Doch er tat es nicht.
»Nein, Eleonore, daran habe ich natürlich nicht gedacht.«
Eleonore sah zu ihm auf und setzte einen gekonnt gelangweilten, hochmütigen Blick auf. »Hast du noch nicht bemerkt, dass ich hierhergekommen bin, um mit meinem
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