Mein bestes Stuck
durchfuhr, war Julia schockiert. Vielleicht waren es aber auch nur die elektrischen Entladungen der Blitze? Ach, wem wollte sie hier etwas vormachen? Luc war die Ursache, nicht der Sturm.
Auch seine Körperhaltung hatte sich verändert. Er wirkter angespannter, als müsse er sich selbst am Riemen reißen. Es fühlte sich gefährlich an. Sehr, sehr schön. Aber eben auch gefährlich.
»Das nun«, plapperte Julia weiter, »ist also mein familiärer Hintergrund. Aber ich wollte gar nicht so viel über meinen Vater reden, wo deiner doch gerade …«
»Keine Sorge.« Er zuckte mit den Achseln. »Ich höre dir sehr gern zu, Julia.«
Oh, wie sehr sie doch wünschte, es würde nicht so unheimlich sexy klingen, wenn er ihren Namen aussprach.
»Was ist eigentlich mit Eleonore?«, sagte sie und setzte sich aufrecht. »Was passiert jetzt?«
Luc zögerte einen Moment, als müsse er sich erst wieder auf dieses Thema, das sie so unbeholfen angeschnitten hatte, konzentrieren.
»Eleonore? Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht. Es war schon schwierig genug, sie anlässlich der Beerdigung nach Hause zu bekommen. Keine Ahnung, welche Pläne sie hat, wie lange sie sich freinehmen will, und so weiter. Offen gestanden ist es ein heikles Thema. Manchmal habe ich das Gefühl, Eleonore denkt, mir sei mein Leben auf dem Silbertablett serviert worden, während sie raus in die Welt
geschickt wurde, um ihr Glück selbst in die Hand zu nehmen …«
»Hast du schon mal mit ihr darüber gesprochen?«
Er schaute ihr tief in die Augen. »Das sollte ich wohl tun, oder?«
Julia lächelte. »Mit der Familie ist es so eine Sache«, gab sie zu. »Manchmal sieht die Lösung für Außenstehende so leicht aus, aber für einen selbst? Mit all der Geschichte, den Traditionen, den Hierarchien, den Anekdoten aus der Kindheit und dem Umstand, dass man niemanden verletzen will – das kann ein echter Alptraum sein. Aber du solltest dir Zeit nehmen und mit ihr sprechen. Vielleicht nach der Beerdigung. Denk dran, dass Eleonore deine Schwester ist und … na ja …«
»Alles, was ich noch habe?«, fragte er und rückte wieder ein kleines Stückchen näher.
Julia fiel es plötzlich schwer zu atmen. Draußen goss es immer noch in Strömen, doch die Blitze gingen inzwischen nicht mehr in unmittelbarer Nähe des Weinbergs nieder und waren nur noch als fernes Blinken zu vernehmen.
»Ich glaube …«
Seufzend stand sie auf und reckte sich. Luc tat es ihr nach, und so standen sie nebeneinander in der Tür und schauten in den Regen hinaus. Mit einem Mal konnte sie den Gedanken, Château Deschanel schon so bald wieder verlassen zu müssen und Luc nie wiederzusehen, nicht ertragen. Es fühlte sich einfach nicht richtig an. Andererseits war es auch nur verständlich, dass sie in letzter Zeit ein bisschen emotional war. Oder nicht? Sie hatten zwei verrückte Tage miteinander verbracht, und all die Gedanken
an ihre Hochzeit und dann der Tod von Lucs Vater … Keiner von ihnen konnte mehr klar denken.
Luc näherte sich ihr, bis sie sich fast berührten. »Julia, ich wünschte …«
Doch seine Stimme und jedes andere Geräusch wurden von einem ohrenbetäubenden Donnerknall verschluckt. Ohne nachzudenken machte Julia einen Satz zur Seite und klammerte sich ängstlich an ihn.
Verlegen sah sie zu ihm auf. Er starrte sie an, und auf seinem Gesicht zeichnete sich ein Ausdruck von Zärtlichkeit ab. Ihr fiel wieder auf, wie attraktiv er war. Sie blickten einander eine Ewigkeit in die Augen. Oder war es nur eine halbe Minute – wer konnte das schon sagen? Julia jedenfalls nicht, so viel war sicher. Ihr ganzer Körper zitterte vor Verlangen, es schien ihr fast unmöglich, es zu unterdrücken.
»Julia«, flüsterte Luc, »ich … ich will dich. Ich kann nicht anders, es ist so …«
»Luc …«, keuchte Julia und rang nach Luft, um Worte und, na ja, irgendwie auch um ihr Leben. So kam es ihr wenigstens vor.
»Ich kann nichts dagegen tun«, fuhr er fort. »Ich weiß, es ist falsch, weil du verlobt bist. Aber ich muss es einfach sagen. Du bist das Wunderbarste, was mir je in meinem Leben passiert ist …«
Sie wollte ihn küssen. Ihr Körper hatte den Kampf längst aufgegeben, und sie streckte sich ihm entgegen. Lucs Lippen kamen den ihren gefährlich nahe.
»NEIN!«
Wo war das denn hergekommen? Und wer hatte die Nerven und dieses entsetzlich schlechte Timing, genau in
diesem Moment »Nein!« zu brüllen? Oh. Sie selbst war es gewesen. Im Innersten unwillig und mit all
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