Mein bestes Stuck
nur, weil du mich so nett darum gebeten hast.«
Eleonore hatte diese Seite an Simon völlig vergessen. Dieser leidenschaftliche, treue Junge war zu einem Mann herangewachsen, der scheinbar kein bisschen Bösartigkeit in sich trug. Mit einem Mal wurde ihr klar, warum er sie im Casino nicht alleingelassen hatte. Simon Crasset würde so etwas niemals tun. Ebenso wie sein Vater alles für ihren Vater getan hätte.
Er drehte sich um und entfernte sich ein paar Schritte von ihr. Durch das Fenster drang nun gedämpftes, mildes Sonnenlicht in die Kammer. Draußen hatte es aufgehört zu regnen. Die Stille war geradezu unheimlich. Eleonore erinnerte sich an ihre Teenagerzeit, an diese wilden, sorglosen Tage, als sie, Luc und Simon ein unschlagbares, zu allem fähiges Team gewesen waren. Und daran, als Luc sich allmählich später zurückgezogen hatte, weil Eleonore und Simon entdeckt hatten, dass sie sich voneinander angezogen fühlten und sie – wenn auch nur sehr kurz – ein Paar wurden.
Sie erschauderte, obwohl es gar nicht so kalt in der Kapelle war. Das alles schien hundert, ja tausend Jahre her zu sein. Sie waren andere Menschen geworden. So viel war inzwischen passiert – das Erwachsen werden, der Umzug nach Paris, all die Fehler, die sie begangen hatte …
Und trotzdem, trotzdem war Simon nun bei ihr und weigerte sich, sie alleinzulassen, obwohl sie sich alle Mühe gab, sich so unfair wie möglich zu benehmen. Er blieb an ihrer Seite, treu und aufrichtig, wie schon vor so vielen Jahren. Warum hatte er sie nie aufgegeben? Jeder andere Mann, den sie kannte, hatte sie im Stich gelassen, warum nicht Simon?
»Warum bist du hier, Simon?« Ihre Worte waren nicht mehr als ein Flüstern. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen.
»Weil ich dich immer noch liebe, Eleonore. Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben.«
Es war, als sei plötzlich jeglicher Sauerstoff aus der Gruft gewichen. Eleonores gesamter Körper begann zu kribbeln, und sie fühlte sich, als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen … Nein, nein, das durfte jetzt nicht passieren...
»Oh Simon«, flüsterte sie. »Du …« Ihre Stimme brach. Sie kämpfte, um überhaupt atmen zu können, geschweige denn sprechen. »Du … du armer Junge. Ich bin all die Mühe nicht wert.«
»Ich bin ein armer Junge?« Er trat auf sie zu. »Ich kann mir niemanden vorstellen, der es mehr wert ist, geliebt zu werden, als du.«
Seine Worte erschütterten sie zutiefst, und sie konnte
nicht anders, als ein unkontrolliertes, hilfloses Kichern von sich zu geben. »Simon, ich bin eine totale Katastrophe … eine absolute Katastrophe.«
»Das bist du nicht! Wie könntest du allen Ernstes eine Katastrophe sein? Du bist wunderschön. Und etwas ganz Besonderes.«
Sie schnaufte ungläubig.
»Zwar glaube ich, dass du spielsüchtig bist, Eleonore, und es tut mir weh, das mit ansehen zu müssen, weil es dir ganz offensichtlich schadet. Aber das ist nur eine Seite von dir und zeigt nicht, wer du wirklich bist. Dein Wesen definiert sich nicht über die Sucht.«
»Simon, hör bitte auf damit! Das funktioniert im echten Leben nicht.«
»Mag sein, oder auch nicht. Auf jeden Fall liebe ich dich.«
Eleonore starrte auf den Sarg ihres Vaters, der in fahles Licht getaucht dastand. In ihrem Kopf drehte sich alles. Ob ihr Vater hören konnte, was hier vor sich ging? War er hier irgendwo? Schwebte er um sie herum, als Geist, und hörte zu, wie Simon ihr seine Liebe erklärte? Eleonore konnte sich nicht erinnern, jemals von einem Mann gehört zu haben, dass er sie liebte. Wirklich und ehrlich liebte. Hatte Simon es damals gesagt, als sie noch Teenager waren? Sie wusste es nicht mehr. Nein, nur ihre Mutter hatte ihr gesagt, dass sie sie liebte, und das jeden Tag. Ihre Mutter war der einzige Mensch auf der Welt, auf dessen uneingeschränkte Liebe sie sich hatte verlassen können. Auch Luc liebte sie wahrscheinlich – sie jedenfalls liebte ihn sehr, doch das war etwas anderes. Und Luc, ihr kleiner Bruder,
hatte ihre schlimmsten Exzesse nie mitbekommen. Wenn er von all diesen Geschichten wüsste, würde er sicher keine Liebe mehr empfinden. Und jetzt, nach alldem, was sie ihm in den letzten Tagen angetan hatte, war ganz sicher noch das letzte bisschen Zuneigung für sie verschwunden. Sie verdiente die Liebe dieser aufrichtigen Männer nicht, so viel war klar.
»Simon …«
»Versuch es, Eleonore«, unterbrach er sie und legte ihr sanft die Hände auf die Schultern. »Versuch doch
Weitere Kostenlose Bücher