Mein bestes Stuck
Sommerblazer.
Sein nackenlanges schwarzes Haar war akkurat geschnitten und gestylt und an seinen sonnengebräunten Füßen trug er braune Lederflip-Flops. Kurz gesagt – er sah umwerfend aus. Und machte so Julia ihre eigene jämmerliche Erscheinung nur noch deutlicher bewusst: Ihr klatschnasses Sommerkleid aus ursprünglich gelber Baumwolle hing wie ein grauer, glitschiger Sack an ihr herunter, ihre ehemals weißen Leinenschuhe waren matschig braun, und ihre Haare klebten ihr an Kopf und Schultern wie Rattenschwänze.
»Wohl in den Sturm geraten, wie? Ganz schön heftiges Unwetter.«
Unbeholfen harkte sie sich mit gespreizten Fingern durch die klammen Haare und streifte die vorderen Strähnen hinter ihre Ohren. Lorenzo sah immer so makellos aus!
»Ich … ich habe mich nur umgesehen … Hör zu, Renzo, das ist wirklich eine süße Überraschung, aber du hättest dir wirklich nicht die Mühe machen müssen …«
Hinter ihr ertönten plötzlich Schritte. Julia drehte sich abrupt um und sah, wie Luc in den Salon kam. Er war ebenso durchnässt und atemlos wie sie. Julias Gesicht schien zu lodern. Sie beide hätten nicht schuldiger aussehen können. Lucs T-Shirt klebte an seinem Körper, und seine Jeans war triefnass. Er wirkte seltsam wild und scheu, als er so den Raum durchquerte und sich zu den anderen gesellte.
Onkel Quinn strahlte ihn an. »Ah, Luc, wunderbar, dass Sie auch da sind. Großartig!« Er trat vor, um die beiden Männer einander vorzustellen.
»Luc, darf ich Ihnen Julias berühmten Lorenzo präsentieren?«
Sie sah schockiert und gleichermaßen fasziniert zu, wie
sich die zwei Männer die Hand gaben. Luc war total verwirrt und musste sich sichtlich anstrengen, während dieser kurzen Begrüßung seine sonst tadellosen Manieren nicht zu vergessen. Auch Lorenzo wirkte zögerlich – oh, verdammt! Julia merkte, wie sie zitterte.
Er muss doch merken, dass etwas hier nicht stimmt, dachte sie. Man muss uns doch nur anschauen! Beide völlig durchnässt und mit knallroten Köpfen – da muss man nun wahrlich kein Genie sein, um einen Schluss daraus zu ziehen … Doch Lorenzos lächelnder Mund verzog sich keinen Millimeter. Da stand er, schlank und groß, die anderen überragend, als sei er und nicht Luc der Hausherr.
»Lorenzo, Luc hat sich wahrlich heldenhaft um Julia und mich gekümmert, während dieser ganzen Verwechslungsgeschichte. Und das, obwohl er selbst gerade so eine schwere Zeit durchmacht.«
»Ja, das habe ich schon gehört«, sagte Lorenzo und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. »Mein aufrichtiges Beileid, Monsieur.«
»Vielen Dank«, erwiderte Luc rasch.
Bedrückende Stille machte sich breit. Julia, obgleich immer noch wie erstarrt, dachte fieberhaft nach. Es ist nichts passiert, und ich muss mich für gar nichts schämen. Was zum Teufel geht hier vor? Was wäre, wenn ich einfach schreiend aus dem Zimmer laufe? Denn das ist das Einzige, was mir im Moment einfällt …
»Meine liebe Julia«, Lorenzo wandte sich ihr in diesem Moment zu, »du siehst einfach wunderbar aus. Selbst wenn du – wie sagt man – wie ein begossener Pudel hier auftrittst. Denken Sie nicht, meine Herren?« Zu Julias großer
Erleichterung wartete er keine Antwort ab. »Ohne Zweifel ist es die Vorfreude auf das kommende Wochenende, die dein hübsches Gesicht so leuchten lässt.«
Julia warf Luc ein schwaches, entschuldigendes Lächeln zu, das er nicht erwiderte.
»Lehn dich nicht zu weit aus dem Fenster«, konterte sie und rang sich ein Lachen ab. »Wir alle sind uns darüber klar, dass ich furchtbar aussehe.«
Keiner sagte etwas, nur Lorenzo zuckte demonstrativ mit den Schultern, als wolle er ihr am Ende doch Recht geben. Onkel Quinn schien unbeteiligt und auf einen Fleck auf seinem Ärmel konzentriert zu sein.
Julia plapperte also einfach weiter. »Also, Lorenzo, das ist wirklich eine Überraschung. Du solltest doch morgen nach Edinburgh fliegen. Wir haben alles in die Wege geleitet, um noch heute Abend zurückzufliegen. Ich bin nun endlich fertig hier …«
Sie brach ab. Das war nicht gerade taktvoll gewesen. »Also, was ich meine, ist, dass ich darauf eingestellt war, dich morgen vom Flughafen abzuholen. Du hättest doch nicht vorzeitig von der Arbeit aufbrechen müssen, um zu uns zu kommen, obwohl es natürlich schön ist, dich zu sehen, wirklich, sehr schön …«
Onkel Quinn schüttelte fast unmerklich den Kopf. Luc stand vollkommen still und mit regloser Miene da.
Lorenzo hob die Augenbrauen.
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