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Mein Bild sagt mehr als deine Worte

Mein Bild sagt mehr als deine Worte

Titel: Mein Bild sagt mehr als deine Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Levithan
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vorgebeugt. Dann davon noch eine Hälfte. Dann davon noch eine. Und langsam immer so weiter, bis sich deine Lippen unmittelbar vor seinen befunden haben, nur noch einen Hauch entfernt. Du hast innegehalten – bis er eine schnelle Bewegung gemacht und dich geküsst hat. Da bist du wütend zurückgefahren.
    »Zum Teufel mit dir, Jack«, hast du gesagt. »Vielleicht gibt es noch mehr an Wahrheit, als nur ein Mensch zu sein.«
    »Ja«, sagte ich. »Du bist vielleicht ein Mensch, Jack. Aber Ariel ist Mathematik. Sie ist durch und durch Mathematik.«
    Es gibt so viele Dinge, von denen ich wünsche, ich hätte sie nie gesagt.

15 A
    Ich dachte, er würde sofort nach mir suchen. Ich dachte, er würde mir unbedingt von den Fotos erzählen wollen, die er in seinem Spind gefunden hatte. Stattdessen stöberte Katie mich in meiner Freistunde auf.
    Katie kommt mit so Sachen wie einfach eine Stunde lang in die Bibliothek gehen, obwohl sie gar keine Freistunde hat, ohne Weiteres durch.
    Sie ist hübsch, und sie ist ein nettes, braves Mädchen, deshalb fragte die Bibliothekarin gar nicht erst danach, ob sie überhaupt in der Bibliothek sein durfte. Wenn Katie jetzt hier war, dann musste sie dafür einen guten Grund haben, es konnte gar nicht anders sein. Niemals würde Katie das Universum durcheinanderbringen, indem sie irgendwo aufkreuzte, wo sie gar nichts zu suchen hatte.
    Wir waren miteinander befreundet; vor allem deswegen, weil wir uns schon so lang kannten. Ich mochte sie ganz gern, und es gab auch ein paar schöne Erinnerungen an Dinge, die wir gemeinsam erlebt hatten. Aber ich wäre nie so weit gegangen zu behaupten, dass mir Katie besonders wichtig war. Zumindest nicht bis zu diesem Augenblick.
    Zuerst blickte sie sich suchend in der ganzen Bibliothek um. Als sie mich dann allein an meinem Tisch sitzen sah, steuerte sie direkt auf mich zu. Ich starrte in ihre Richtung, halb mit meinen zersplitterten Gedanken beschäftigt, halb völlig gedankenleer, deshalb bemerkte ich zwar, dass sie auf mich zukam, zeigte aber trotzdem keine Regung.
    »Ich hab was für dich«, sagte sie und zog etwas aus einem Heft heraus. Sie trug klimpernde Ohrringe, und ich lehnte mich etwas nach links, damit die Ohrringe mehr Platz zum Baumeln hatten.
    »Hier«, sagte sie und legte ein Foto vor mich auf den Tisch.

    »Wo hast du das her?«, fragte ich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Katie in ihrer Freizeit mit einem Jungen rumhing, der einen Iro hatte. Aber eine Sekunde lang – den Bruchteil einer Sekunde – dachte ich: Vielleicht ist es ja sie . Vielleicht ist ja sie die Knipserin. Schließlich hatte sie eine Kamera. Sie hätte nur irgendein anderes Mädchen zu bitten brauchen, bei dem Ganzen mitzuspielen, um ihre Spur zu verwischen. Oder vielleicht hattest du ja irgendwie mit ihr Kontakt aufgenommen. Vielleicht hast du ja hinter allem gesteckt.
    Katie setzte sich mir gegenüber hin.
    »Ich hab gewusst, dass du mich das fragen würdest«, sagte sie. »Ich schlag dir einen Deal vor – du erzählst mir, wofür du das Foto brauchst, und danach erfährst du von mir, woher ich es habe.«
    Ich vertraute ihr nicht. Sie schob sich eine Strähne hinters rechte Ohr und sah mich an. Ich musste ihr vertrauen. Wartete auf eine Antwort.
    Ich dachte: Ariel hat mir erzählt, dass du immer noch mit Kuscheltieren in deinem Bett schläfst. Sie hat gesagt, du interessierst dich mehr für Jungs als für Mädchen. Und dass du ihr seit einiger Zeit irgendwie gefehlt hast, ohne dass sie so recht wusste, warum.
    »Jemand spielt mir Fotos zu«, sagte ich. »Ich hab sie in meinem Spind gefunden. Anderswo in der Gegend. Wer auch immer das Foto hier gemacht hat – auf alle Fälle ist es für mich gedacht.«
    Katie hielt nachdenklich den Kopf schief. »Aber warum?«
    »Weiß ich nicht. Wenn ich es wüsste, glaubst du, ich würde es dann anderen Leuten groß erzählen? «
    »Aber du musst du doch irgendeine Vermutung haben …«
    »Ich glaube, es hat was mit Ariel zu tun.«
    Und das war nämlich der Punkt: Keiner von uns hat mehr von dir geredet. Nicht Wochen später. Nicht jetzt.
    Einen Moment lang, während Katie schwieg, drifteten meine Gedanken ab, und ich stellte sie mir zwanzig Jahre älter vor, als Erwachsene. Wir waren uns nach vielen Jahren gerade zufällig über den Weg gelaufen und tranken irgendwo an einem Flughafen miteinander einen Kaffee. Und redeten darüber, wie lange es her war, dass wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Und dann bist du plötzlich

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