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Mein Bild sagt mehr als deine Worte

Mein Bild sagt mehr als deine Worte

Titel: Mein Bild sagt mehr als deine Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Levithan
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»Die Gleisstrecke ist verdammt lang. Aber ich glaube, sie will, dass wir sie finden. Deshalb ist es wahrscheinlich nicht weit weg. Und wenn du genau hinschaust, entdeckst du im Hintergrund eine Stelle, wo die braune Erde in grauen Kies übergeht, und außerdem ist links so was Ähnliches wie ein grüner Pfosten. Danach können wir Ausschau halten.«
    »Komm mit«, sagte Jack, und ich dachte einen Moment wirklich, dass wir beide auf der Stelle losziehen würden. Aber er ging nur bis zur nächsten Stufe, setzte sich und tätschelte mit der Hand auf den freien Platz neben sich.
    Er sieht einfach umwerfend gut aus. Das wusste ich. Und ich wusste, dass gut aussehende Menschen immer mit allem durchkommen. Aber ich hab nie was Schlechtes über ihn gesagt.
    »Wir müssen mal miteinander reden«, sagte er.
    Denn du hast ihn sehr gern gehabt. Hast du wirklich.
    »Ich glaube nämlich, dass du jetzt mal besser loslassen solltest.«
    Er war da gewesen.
    Mit mir.
    Er war mit mir da gewesen.
    »Aber doch nicht jetzt«, sagte ich. »Wir sind ganz nah dran.«
    Er schüttelte den Kopf. »Für mich gibt es andere wichtige Dinge.«
    »Und was?«, fragte ich. Dann zeigte ich mit dem Finger in die Richtung, in die Miranda davongegangen war. »Sie?«
    »Nicht nur sie. Das Leben, Evan. Wir müssen ins Leben zurückkehren. Wir müssen loslassen.«
    »Lasst los!«, schrie sie. »Lasst mich los!«
    Ich wollte mir die Ohren zuhalten.
    Jack redete weiter. »Ich mach mir wirklich Sorgen um dich, Evan. Wer auch immer hinter der Sache mit den Fotos steckt, treibt da einen üblen Scherz mit uns, und du fällst darauf rein. Das ist eine total miese Geschichte und es muss aufhören. Aber es wird nicht aufhören, solange wir nicht so tun, als wäre es uns egal. Das Leben muss weitergehen, Evan.«
    »Was?« brüllte ich ihn an. »Sollen wir einfach vergessen, dass es sie gegeben hat? Vergessen, was passiert ist?«
    Jack schüttelte den Kopf. Tieftraurig. »Nein. Das will ich damit nicht sagen.«
    »Aber was willst du dann damit sagen? Loslassen . Glaubst du wirklich, das hier passiert, weil wir uns so daran festklammern? Glaubst du wirklich, es ist so einfach? Ich klammere mich nicht daran fest, Jack, sondern es lässt mich nicht los. Und dich auch nicht, egal ob du es ignorierst oder nicht.«
    Die rechte Hand von Jack ballte sich zu einer Faust. Nicht um mir eine zu verpassen. Einfach nur eine geballte Faust.
    »Hör zu, Evan – ich war in so was nicht gut bei ihr und ich bin es auch nicht bei dir. Ich kann darüber mit dir nicht groß diskutieren. Ich kann es nicht. Nenn mich, wie du willst – herzlos war eines ihrer Lieblingswörter. Und weißt du was? Ich muss das einfach einstecken. Aber lieber werde ich herzlos genannt, als in dem Chaos weiterzuleben, das sie veranstaltet hat. Ich hab gedacht, es würde sich allmählich lichten, und jetzt kommt da dieses Mädchen mit ihren Fotos, was auch immer sie eigentlich vorhat, und versucht, alles wieder aufzuwühlen. Aber ich will dieses Spiel nicht spielen. Es ist ein Spiel, Evan. Und manchmal muss man einfach weggehen. Spiel es nicht mit.«
    »Du bist nicht herzlos«, sagte ich. »Sie hat dich nie herzlos genannt.«
    Die Faust öffnete sich und schloss sich wieder.
    »Doch, Evan. Natürlich hat sie das. Sie hat es mir ins Gesicht gesagt. Du weißt gar nicht, wie es manchmal mit ihr war. Du warst nicht immer dabei. Genauso wie ich nicht dabei war, wenn sie sich mit dir allein getroffen hat. Sie konnte plötzlich weit weg sein, obwohl sie vor mir stand. Und wenn sie wieder aufgetaucht ist, hat sie die schlimmsten Sachen gesagt – über mich, über sich selbst. Vor allem über sich selbst. Klar, jetzt weiß ich, was es war. Aber damals wusste ich es nicht. Ich hab es nicht kapiert. Ich war viel zu verstrickt. Es hat unglaublich wehgetan, all das zu hören, Evan. Sie hat alles zerfetzt, um ihre ›Wahrheit‹ zu finden. Wenn ich versucht habe, sie zu umarmen, hat sie mich angeschrien, ich solle sie gefälligst in Ruhe lassen. Und wenn ich einfach nur dagesessen bin, hat sie gesagt: ›Warum umarmst du mich nicht?‹ Stundenlang konnte das so gehen. Ich hatte Angst zu gehen und ich hatte genauso viel Angst zu bleiben. Alles war falsch. ›War nur so eine Stimmung‹, hat sie danach immer gesagt. ›Tut mir leid – ich war in so einer komischen Stimmung.‹ Ja. Das haben wir beide geglaubt. Das haben wir alle geglaubt, oder? Weil wir uns nicht eingestehen wollten, dass es vielleicht etwas ganz anderes

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