Mein bis in den Tod
Heckler & Koch und konnten nachweisen, dass es sich um die Waffe handelte, aus der die fünf Schüsse abgegeben worden waren.
Und dann wand sich ein wirklich übler Gedanke durch sein Hirn.
Würde Onkel Ronnie ihn für fünfzig Riesen verpfeifen?
Eine verrückte Vorstellung – er erledigte zu viele Jobs für Ronnie, er war für ihn viel mehr wert als lächerliche fünfzig Riesen. Unmöglich, dass er –
Nur: Onkel Ronnies Jähzorn war legendär. Er hatte England nach einer Auseinandersetzung in einem Pub verlassen müssen, die damit endete, dass er einen Mann vor dreißig Zeugen erschoss. KALTBLÜTIGE HINRICHTUNG , hatte eine Schlagzeile gelautet. Und er erinnerte sich an diese Büste in der Halle von Ronnies Villa in Chiswell, von irgend so einem griechischen Typen, Atrium oder Arius oder wie der hieß. Onkel Ronnie hatte oft den Bronzekopf getätschelt und gesagt, dass dieser Mann, nachdem er sich mit seinem Bruder überworfen hatte, dessen Kinder umgebracht und ihm gebraten bei einem Festbankett serviert habe.
Onkel Ronnie hatte das irre heldenhaft gefunden.
Und in seiner Kindheit hatte Spider lange vor Onkel Ronnie Angst gehabt. Angst, dass auch er sich gebraten und garniert wiederfinden würde, zum Lunch serviert, wenn er ihn verärgerte. Als Erwachsener wusste er dann, dass Ronnie Milward zu allem fähig war, wenn er in Rage geriet.
Und noch etwas kam Spider in den Sinn. Diese totale Scheiße, dass er erst den falschen Mann umgelegt und dann den zweiten Mann unten im Hausflur erschossen hatte, betraf bei weitem nicht nur ihn selbst, sie bedeutete auch, dass Ronnie Milward vor seinem Kunden das Gesicht verloren hatte. Darum ging’s hier in Wirklichkeit.
Er hatte dafür gesorgt, dass sein Onkel wie ein Idiot dastand.
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72
F aith bezahlte das Taxi, stieg aus und drückte dem Türsteher eine Ein-Pfund-Münze in die Hand. Dann betrat sie die Lobby des Hotels Marble Arch, schlängelte sich durch eine Menschenmenge, die ihr wie die Bevölkerung einer kleinen japanischen Stadt vorkam, und fuhr eingezwängt zwischen zwei riesigen Amerikanerinnen in unförmigen Shorts mit noch unförmigerer Figur in einem rappelvollen Aufzug hinauf.
Im neunten Stock stieg sie aus, überprüfte die Richtung der Zimmernummern, wandte sich nach rechts und fand etwas weiter unten im Gang die Tür zu Nummer 927. Sie klopfte leise an und wartete. Irgendwo klingelte ein Telefon.
Oliver öffnete. Er war barfuß und trug ein verkrumpeltes Armeesweatshirt und Jeans. Sein ganzer Körper wirkte gebeugt und zerknautscht: das unrasierte Gesicht hager, schiefergrau, mit schwarzen Rändern um die Augen und tiefen Säcken darunter, das Haar verfilzt und unordentlich. Einen Moment lang stand er nur da und starrte sie ausdruckslos an, so als wären Augen und Gehirn nicht verbunden.
Faith war entsetzt. Solch eine Trauer hatte sie noch nie gesehen.
»Faith, schön, dass du gekommen bist.«
Sie schlang die Arme um ihn, wollte ihn beschützen, ihn trösten, musste sich vergewissern, dass er kein Geist war. »Du armer Liebling«, sagte sie und drückte ihn fest an sich. »O Gott, du armer Liebling.«
Lange standen sie schweigend da, ihr Gesicht gegen seine Brust gepresst, während seine Hände ihren Rücken massierten und sein Atem einige lose Haarsträhnen über ihrer Stirn zauste. »Faith, sag mir, dass das alles nicht wirklich ist, sag mir, dass es nicht geschehen ist.« Plötzlich kam Wut in seine Stimme. »Wie konnte das jemand tun? Wir sind in London – die Stadt ist doch angeblich sicher. Harvey war ein wunderbarer Mann. Jeder hat ihn geliebt. Wer würde ihn umbringen wollen?«
Ihr Kopf war voller Fragen, die sie ihm stellen wollte. Aber nicht gleich. Erst einmal mussten sie versuchen, sich etwas zu beruhigen. Hinter sich hörte sie das Geklapper von Geschirr und Besteck – ein Zimmerservice-Wagen wurde vorbeigerollt, ließ den Duft von Frühstücksspeck zurück.
Immer noch eng umschlungen gingen sie ins Zimmer, und Faith schob die Tür von innen mit dem Fuß zu. Als sie in seine traurigen grauen Augen sah, hatte sie das Gefühl, als blickten sie in ihre Seele. Plötzlich durchströmte sie eine Art elektrischer Strom. Sie standen zusammen da, und sie fühlte den gleichen Strom in ihm, spürte das dumpfe Pochen erst ihres, dann seines Herzens.
Die Erregung breitete sich tief in ihr aus, ihre Blicke trafen sich, dann liebkosten sie sich mit den Lippen. Seine fühlten sich so weich an, sanft, feucht. Sie drängte sich enger
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