Mein bis in den Tod
nicht. Vergiss das nie.«
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18
D as Gebäude war tatsächlich eine alte Kirche, wie Faith feststellte, als sie aus dem Taxi stieg. In einer Wohnstraße, eingezwängt in einer Lücke zwischen zwei viktorianischen Häuserreihen, stand das Haus etwas gedrungen, aber stolz da, ein imposanter Bau aus rotem Backstein, mit Wasserspeiern und Buntglasfenstern.
Winchmore Hill war eine Gegend Londons, die sie kaum kannte. Der Stadtteil lag ganz im Norden, ein hübsches, grünes Fleckchen, und er verströmte einen Hauch von Wohlstand. Faith erinnerte sich, dass sie vor ein paar Jahren irgendwo hier zu einer Dinnerparty eingeladen gewesen war; der Gastgeber war ein besonders vulgärer Musik-Promoter gewesen, der ihr ständig erzählte, wie sehr sich durch Ross sein Sexualleben verbessert habe. Dann hatte der Mann während des Essens darauf bestanden, dass seine Frau ihre Brüste zeigte, um der versammelten Gästeschar zu demonstrieren, was für ein großartiger Chirurg Ross sei. »Er hat ihr Titten geschenkt«, hatte der Mann gesagt. »Vorher war sie platt wie ein Brett, wie ein kleiner Junge.«
Jetzt ging Faith zu der schweren Eichentür hinauf und las das Messingschild daneben: CABOT - ZENTRUM FÜR KOMPLEMENTÄRE MEDIZIN .
Nervös steckte sie die Hände tief in die Taschen und schlang sich zum Schutz gegen den kalten, böigen Wind den langen Regenmantel fest um den Leib. Die Haare schlugen ihr ins Gesicht.
Jetzt, da du schon bis hierher gekommen bist, gibt es keinen Weg mehr zurück, Mädchen.
Aber das stimmte nicht, sie konnte jederzeit umkehren, zurück zur Straße gehen, ein Taxi rufen und nach Hause fahren.
Und dann?
Sie zog an der Tür, die sich ein paar Zentimeter öffnete. Mutig geworden, schob sie die Tür weit auf, trat ein – und war sofort überrascht. Im Gegensatz zum strengen Äußeren war das Innere hell und modern und bot einen überwältigenden Anblick. Es hätte eine Kunstgalerie sein können: Kiefernfußböden auf verschiedenen Ebenen, mattweiße Wände mit abstrakten Gemälden, die sie an Blicke durch ein Mikroskop erinnerten; die Pflanzen und Skulpturen waren so aufgestellt, dass sie die offenen Räume gliederten, große weiße Kerzen, die in Wandnischen und auf frei stehenden Haltern brannten. Aus Lautsprechern drang New-Age-Entspannungsmusik, während ihr der angenehme, aber intensive Duft von Aromaöl in die Nase stieg.
Vor ihr, am Empfangstresen, saß eine attraktive junge Frau mit rötlich braunen Haaren. Sie trug ein marineblaues Polohemd mit den aufgestickten Wörtern »Das Cabot-Zentrum« und strahlte eine solche Gesundheit und Vitalität aus, dass Faith sich wie ein Wrack vorkam. Sie hatte beneidenswert weiße Zähne und lächelte Faith freundlich an.
»Ich möchte zu Dr. Cabot«, sagte Faith, während sie auf dem Tresen eine Schachtel mit Werbebroschüren für das Zentrum bemerkte.
»Haben Sie einen Termin?«
»Ja.«
Die Empfangsdame notierte sich ihren Namen, dann deutete sie zu einer Sitzecke mit modernen Stühlen hinter einem Schirm aus Topfpflanzen, wo mehrere Personen saßen.
»Gibt es hier eine Toilette?«
»Ja, gleich dort hinten rechts.«
Faith sah die Tür. Sie ging einen Flur entlang und betrat einen geräumigen, mit weißen Wandfliesen gekachelten Raum, in dem weiße Kerzen brannten. Sie betrat eine Kabine, setzte sich und schloss die Augen. Die Übelkeit, unter der sie die ganze Woche immer wieder gelitten hatte, war mit voller Kraft zurückgekehrt. Dr. Ritterman hatte sie beziehungsweise Ross über die Ergebnisse der Tests nicht informiert. Warum? Eine Woche war doch sicher lange genug. Sollte sie Oliver Cabot sagen, wie sie sich fühlte? Aber Ross würde wütend reagieren, wenn er herausfände, dass sie ein Medikament einnahm, von dem er nichts wusste.
Und er würde bestimmt dahinter kommen: Ständig spionierte er ihr hinterher, durchsuchte das Arzneischränkchen, kritisierte jedes Vitaminpräparat, jedes Nahrungsergänzungsmittel, das sie kaufte. Selbst in ihren Handtaschen kramte er.
Sie kniete sich vor die Klosettschüssel und übergab sich. In ihrem Kopf drehte sich alles, und während sie sich am Rand der Schüssel festhielt, wäre sie fast ohnmächtig geworden.
Erst nach mehreren Minuten ging es ihr besser. Sie zog die Toilettenspülung und spülte sich über dem Waschbecken den Mund aus. Sie besah ihr Gesicht im Spiegel, trug ein wenig Lippenstift auf und richtete sich die Frisur. Wenn ich mich hundeelend fühle, hört Ross wenigstens auf, mir
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