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Mein bis in den Tod

Mein bis in den Tod

Titel: Mein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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Faith das Gleiche. Als der Kellner ging, hob er sein Glas und trank noch etwas Mineralwasser. Sie folgte seinem Beispiel. Er setzte sein Glas ab, lehnte sich ein wenig in seinem Stuhl zurück; und Sekunden später tat sie es ebenfalls.
    Nun war sie es, die ihn unbewusst spiegelte, was bedeutete, dass er die Kontrolle hatte und sie gefügig sein würde. Diese Technik verwendete er bei Patienten, damit sie annahmen, im Rahmen der Behandlung selbst die Entscheidungen zu treffen. Wenn sie glaubten, dass die Behandlung von Anfang an funktionierte, waren die Erfolgsaussichten sehr viel größer. Im Moment musste Faith ihm vertrauen, nur so würde sie sich ihm öffnen.
    Er tippte sich auf die Stirn oberhalb des linkes Auges. »Erzählen Sie mir mehr davon.«
    Sie hob den Finger und berührte verlegen das Heftpflaster. »Ich –« Sie wurde von dem Kellner unterbrochen, der Oliver eine Flasche Sancerre zur Prüfung hinhielt.
    Er nickte, Faith fuhr fort: »Ich – es – es war keine Absicht. Er wollte nicht –«
    »Warum verteidigen Sie ihn?«
    »Ich verteidige ihn nicht, man muss die ganze Sache halt im Zusammenhang sehen.«
    Der Kellner schenkte Oliver ein wenig Wein ins Glas, der zu seiner Enttäuschung sah, dass Faith erneut die Arme verschränkte.
    Als der Kellner ging, faltete auch er die Arme und behielt diese Haltung bei, dann griff er wieder nach seinem Glas und hielt es ihr entgegen. »Zum Wohl.«
    Sie hob ihr Glas und stieß mit ihm an. »Zum Wohl.«
    Er trank und stellte sein Glas ab, und nun spiegelte sie ihn wider. Er kam auf das Gespräch zurück. »Sie wollten etwas über Ihren Mann sagen?«
    »Er hat eine Menge gute Eigenschaften.«
    »Sonst hätten Sie ihn nicht geheiratet.«
    »Glauben Sie, dass Menschen sich ändern können?«
    »Heraklit sagt, dass man nicht zweimal in denselben Fluss steigen kann.«
    »Weil wir im Leben weitergehen?«
    »Ich glaube, dumme Menschen ändern sich nicht, weil sie von nichts, was ihnen zustößt, berührt werden, aber intelligente Menschen ändern sich ständig.«
    Sie nickte. »Und kann man sich von einem freundlichen, fürsorglichen Menschen in ein Monstrum verwandeln? In einen Psychopathen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Wir nennen solche Menschen Soziopathen. Man wird nicht zu einem, sondern wird als einer geboren. Aber die intelligenten wissen, wie man das Spiel spielt. Wenn man sie kennen lernt, sind sie nach außen freundlich und fürsorglich – bis sie bekommen haben, was sie wollen. Dann brauchen sie ihre Maske nicht mehr, und ihr wahrer Charakter kommt zum Vorschein.«
    Er sah die Angst in ihren Augen, die Furcht, die offenbar tief in ihr steckte. Sie war zu reizend, zu anständig, als dass sie in Angst leben durfte. Angst war etwas Gemeines, Zerstörerisches.
    Ihr Mann ist ein Soziopath, Faith. Vielleicht können Sie das noch nicht vor sich selbst zugeben, aber jeder Mann, der eine Frau derart schlägt, ist ein Monster. Und Sie sind in Gefahr, weil sich sein Verhalten verschlimmern wird. Und eines Tages wird er Sie vielleicht so heftig schlagen, dass Sie nicht wieder aufstehen. Und dann wird er aller Welt erzählen, dass er sich gar nicht vorstellen kann, was mit Ihnen geschehen ist. Dass Sie sich einfach in Luft aufgelöst haben. Er wird im Fernsehen erscheinen und weinen und Ihren kleinen Sohn vorführen, der sich verzweifelt nach der Rückkehr seiner Mami sehnt. Und in zwanzig Jahren wird man Ihre Überreste unter einer Zementterrasse finden.
    Er merkte, dass seine Gedanken außer Kontrolle gerieten, aber das war tatsächlich seine Meinung.
    Faith sah ihn merkwürdig an, die Farbe wich aus ihrem Gesicht. Sie legte beide Hände auf den Tisch, um sich zu beruhigen, als kämpfte sie darum, sich zu beherrschen. Was beherrschen? Bekam sie wieder einen ihrer Anfälle von Übelkeit?
    Erschrocken sagte er: »Geht’s Ihnen gut?«
    Sie war jetzt noch blasser, nickte, sagte aber nichts.
    Der Kellner brachte zwei winzige Vorspeisen auf geschmackvollen kleinen Tellern.
    »Faith?«
    Sie fröstelte und starrte Oliver aus weit aufgerissenen Augen an. Dann stand sie auf und lief in den rückwärtigen Teil des Restaurants, weiter bis zu den Toiletten.
    Als sie zurückkam, war sie noch blasser. »Es tut mir leid.«
    Ihre Haut schimmerte feucht, wie bei jemandem, der einen Herzanfall erlitt.
    »Der Bazillus?«, fragte er.
    »Ja. Manchmal – kommt es ganz plötzlich.«
    »Möchten Sie sich hinlegen?«
    »Es geht schon, danke.«
    »Müssen Sie an die frische Luft?«
    Sie

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