Mein bis in den Tod
Wichtige waren nicht die Medikamente, sondern Glück und Entschlossenheit. Und Faith würde beides davon benötigen.
Er betrachtete sie, wie sie mit aschfahlem Gesicht und schweigend dastand und aus dem Fenster blickte, und versuchte zu verstehen, wie man sich fühlte, wenn man sein Todesurteil erhalten hatte. Sie hatten es Jake nie gesagt – er war zu jung für eine solche Nachricht gewesen, außerdem hatte weder er noch Marcy sich je eingestehen wollen, dass Jake sterben würde. Es war ihnen so vorgekommen, als könnten sie ihn irgendwie retten, indem sie die Tatsachen vor sich selbst leugneten.
Tat Faiths Mann dasselbe?
Er fand, dass er sich in das Leben eines anderen Menschen einmischte, wenn er Faith etwas sagte, das ihr Ehemann ihr, möglicherweise mit den besten Absichten, bewusst verschwiegen hatte.
Dann aber erinnerte er sich an das Pflaster über Faiths rechtem Auge. Er wusste nicht, was Ross Ransomes Absichten gewesen waren, aber eines war ihm klar: dass er einem Mann, der eine Frau schlug, nicht über den Weg traute.
Ich sorge dafür, dass du wieder gesund wirst, Faith. Was immer nötig ist, wir beide, du und ich, werden diese Sache besiegen. Ich habe einmal einen Kampf in meinem Leben verloren und bin entschlossen, nie wieder einen zu verlieren
.
Als sie zu ihm zurückging, wirkte sie völlig verloren. Er streckte ihr die Arme entgegen, und sie sank hinein und schlang die Arme so fest um ihn, als wäre er ein Stück Treibholz in einem stürmischen Meer. »Ich habe Angst«, sagte sie. »Ich wäre gern tapfer, aber ich bin es nicht. Es tut mir leid.«
»Sie sind tapfer – und Sie müssen sich wegen nichts Sorgen machen, okay?«
Im Flüsterton sagte sie: »Könnte es sein, dass Sie sich geirrt haben?«
»Nachdem ich die ersten Ergebnisse zurückerhalten hatte, habe ich zwei Labors die Untersuchungen wiederholen lassen. Die Resultate waren identisch. Und dass Sie am Testprogramm von Moliou-Orelan teilnehmen, beweist, dass Ihr Arzt zu demselben Ergebnis gekommen ist.«
»Warum hat er mir das nicht gesagt? Wieso hat Ross mich angelogen?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Vielleicht wollte er freundlich zu Ihnen sein und vermeiden, dass Sie die Wahrheit erfahren.«
Er spürte, wie Faiths Körper zitterte, dann hörte er ein winziges, halbherziges Lachen. Sie blickte auf, und er sah in ihre hellblauen Augen – so weit offen, so mit Tränen erfüllt und zugleich voll Vertrauen.
Dann sagte sie: »Schlaf mit mir.«
[home]
50
A uf der Seite des weißen Renault-Lieferwagens stand in kleinen Buchstaben REILLY & SONS BUILDERS . EST . 1951, auf dem Dach waren zwei Leitern verzurrt. Er parkte fünfzig Meter weiter unten in der Straße, in der Oliver Cabots Wohnung lag, mit dem Heck zur Haustür; durch die Rückfenster hatte man einen freien Blick auf jeden, der das Gebäude betrat oder verließ.
Hugh Caven saß auf der Ladefläche, in einem alten Sessel, den er in einem Secondhandshops gekauft hatte, lauschte einem Schubert-Konzert im Radio und schmökerte in einer Gedichtsammlung seines verstorbenen Landsmanns William Butler Yeats.
Über ihm war eine Reihe Fernsehmonitoren angebracht. Es dauerte eine Weile, bis der an die Elektrik des Lieferwagens angeschlossene Wasserkessel kochte; eine defekte Sprungfeder des Sessels drückte ihm in den Hintern.
Der Lieferwagen roch, als hätte ein nasser Hund darin geschlafen. Barry Gatt, der die Nachtschicht hier drin verbracht hatte, war extrem übergewichtig und hatte ein paar Hygieneprobleme. Aber man konnte ja wohl kaum erwarten, dass jemand zwölf Stunden auf der Ladefläche eines Lieferwagens ausharrte und einen Wohlgeruch hinterließ, als hätte er gerade eine Nacht im Savoy verbracht.
Cavens Handy klingelte. »Ja?«
»Ich hab den Verstärker auf dem Dach angebracht. Du müsstest jetzt ein Bild haben«, sagte die Stimme am anderen Ende. »Fünf Kanäle.«
»Was läuft im Pay- TV ?«
»Sehr komisch, gefällt mir.«
Widerstrebend legte Caven das Buch zur Seite, stellte das Konzert leiser, stand auf und drückte einen Knopf auf dem Schaltpult. Alle acht Monitoren gingen an, gleichzeitig begann eine Reihe roter Lämpchen an zu blinken.
Drei Monitoren blieben schwarz, doch auf den anderen fünf erschienen Bilder. Auf allen war eine große, elegante Wohnung zu sehen: Eines zeigte den Empfangsbereich neben der Tür, ein anderes einen Teil dessen, was wie der Wohnbereich aussah, ein drittes die Küche, das vierte ein leeres Schlafzimmer. Cavens
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