Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Boss, die Memme

Mein Boss, die Memme

Titel: Mein Boss, die Memme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick D. Cowden
Vom Netzwerk:
Gestalt und sein Auftreten haben sich verändert. Er erscheint heute weniger plump und offensichtlich. Er wird nicht mehr im Kasernenton kommuniziert. Ist nicht individuell nachzuverfolgen. Und doch ist er für uns Mitarbeiter tägliche Realität.
    Bürokratie 2.0: Gefangen in der Matrix
    Wenn die Vorstände unserer Unternehmen vom Elfenbeinturm der Firmenzentrale aus mit ihrem Fernrohr die Filialen und Niederlassungen ihres Imperiums betrachten, dann meinen sie, einen großen, chaotischen Wildwuchs zu erkennen. Überall gelten andere Regeln, andere Prozesse. Überall wild umher wuselnde, schwer kontrollierbare Mitarbeiter, die die Ober-Memmen nervös machen. Überall potenzielle Risiken. Schauderhaft für einen Kontrollfreak, der hoffen muss, dass sein Misstrauenssystem kein Leck hat. Und der um seinen Bonus fürchtet.
    Ganz besonders schauderhaft in Zeiten der Globalisierung.
    In jedem Land, an jedem Standort werden Reisekosten und alle anderen Funktionen eines Unternehmens – wie Verkauf, Produktionsplanung, Einkauf, Lagerhaltung – unterschiedlich gehandhabt. Für die Chefs vor Ort eine selbstverständliche Praxis. Sie machen es so, wie es für sie und ihre Kunden und Partner aus ihrer Erfahrung und den kulturellen Gegebenheiten und Gesetzen heraus Sinn macht.
    Es sind Unternehmenseinheiten, die sich in regionalen Märkten schnell an veränderte Situationen anpassen kön nen. Schneller als das Zentralgehirn überhaupt denken kann – die erfolgreichste Art, sich den Herausforderungen eines ­globalisierten Marktes zu stellen.
    Die Filialen an der Peripherie, die vor Ort selbstständig Entscheidungen treffen, Waren produzieren und die Kunden bedienen, wirken auf die Top-Manager in der Konzernzentrale wie hoch bewegliche Arme und Hände eines Unternehmenskörpers, die sich durch das eigene Zentralgehirn nicht präzise genug steuern lassen. Das kann natürlich nur eines wecken: das Misstrauen der Ober-Memmen.
    Also greifen sie zur Standardisierungskeule. Die schlägt heute aber nicht mehr mit einem großen Knall ein, sondern wird heimlich, still und leise mit tödlicher Präzision durch unseren Arbeitsalltag geschwungen. Wenn Prozesse eingeführt werden, die unserer Kontrolle dienen, wissen wir Mitarbeiter oft erst einmal gar nicht, wie uns geschieht, denn diese Prozesse werden uns als Wohltat verkauft.
    Zum Beispiel mit einem starren und mehr schlecht als recht funktionierenden IT -System für alle. Für alle  – den ganzen Konzern. Von Alaska bis Zaire, wenn sich das irgendwie rechtfertigen lässt.
    In der Präsentation – oder wahlweise dem Dreizeiler im Posteingang – hört sich die Ankündigung dieses Systems an wie ein Geschenk an die geschätzten Mitarbeiter: Wir haben ein System für euch, das euch entscheidende Arbeits­abläufe einfach abnimmt. Das alle Informationen automatisiert an die Zentrale weiterleitet. Das euch die Arbeit erleichtert.
    Endlich weniger Meetings zur Abstimmung, freut sich der Sozialallergiker. Endlich kann ich Euch ein paar Arbeitsgänge ersparen, flötet uns der Kuschel-Junkie ins Ohr. Endlich habt Ihr keine Ausrede mehr, mich mit operativem Kleinkram zu nerven, frohlockt der Ego-Shooter.
    In Wirklichkeit dient das System natürlich ganz und gar nicht den Mitarbeitern, sondern dem dunklen Geist aus der Vorstandsetage. Das System erhöht vermeintlich die Effizienz und senkt die Kosten, weil es Arbeitsschritte einspart, und im besten Fall auch noch Mitarbeiter. Weil es berechenbar ist und alle Daten direkt an die Zentrale liefert, macht es uns kontrollierbar und überprüfbar.
    Vor allem schließt es die verhassten Überraschungen aus, die passieren können, wenn Mitarbeiter – oder Führungskräfte – operative Entscheidungen selbst treffen und die Vorgehensweise den Bedingungen des Tagesgeschäfts anpassen. Der wild wuchernde Dschungel des selbstbestimmten Arbeitens wird grenzübergreifend kurz geschoren und alles auf einen einzigen Standard reduziert, um damit angeblich etliche Millionen einzusparen.
    Mit einem derartigen System ist es fast wie im Film »Matrix«. Dort waren die Menschen über Stecker in ihren Hinterköpfen an eine Zentrale angeschlossen, die ihnen eine schöne, virtuelle Welt ins Hirn überspielte. In Wirklichkeit waren sie versklavte Energiezapfsäulen für die herrschende

Weitere Kostenlose Bücher