Mein digitales Ich
lässt?
»Bald wird es normal sein, mit automatisch gesteuerten Autos zu fahren. In 25 Jahren wird sich die Vorstellung, selbst am Lenkrad zu sitzen, völlig bizarr anfühlen. Computer übernehmen Schritt für Schritt Dinge, die üblicherweise der Mensch getan hat. Dabei geht es gar nicht so sehr um die große Kreativität, die ein Dichter oder Komponist besitzt, denn der Großteil des menschlichen Daseins besteht aus Routinen, und darin ist der Computer schon heute unübertroffen.«
Was bedeutet das für uns Menschen?
»Ich glaube, dass Computer unsere Intelligenz erweitern. Erst gestern habe ich mich mit ein paar Kollegen über die chilenische Dichterin Gabriela Mistral unterhalten. Mir kam der Name bekannt vor. Aber aus einem ganz anderen Kontext – ich hatte die ganze Zeit ›Wind‹ im Kopf. Dann nahm ich mein Laptop, und siehe da: Mistral ist laut Wikipedia ein kalter, oft starker Fallwind in der französischen Provence. Das hat gerade mal eine Minute gedauert. Computer sind also großartige Werkzeuge für eine erweiterte Intelligenz. Sie werden uns noch in vielen anderen Bereichen verbessern. Ob Gesundheit, Politik oder Wirtschaft. Schauen w ir uns nur mal das Reisen an. Ich bin viel in der Welt unterwegs, und ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das ohne vernetzte Computer funktionieren soll. Allein schon einen Flug per Telefon zu buchen, ist umständlich. Man könnte jetzt noch unendlich viele Beispiele nennen. Fakt ist: Die Fülle von Informationen, die heute weltweit kursiert, kann ohne Computer nicht bewältigt werden. Unsere Gesellschaft, wie wir sie kennen, wäre ohne Computer undenkbar.«
Das Zeitalter der Menschmaschine
Es verwundert also nicht allzu sehr, dass wir uns diese Überlegenheit von Rechnern zunutze machen und uns zumindest indirekt die Eigenschaften eines Computers aneignen. Wir erweitern unsere kognitiven Fähigkeiten und verlagern beispielsweise unsere Gedächtnisleistung immer mehr ins Internet. Die Zeiten des Auswendiglernens sind bereits heute vorbei. Historische Fakten recherchieren, mathematische Berechnungen anstellen, all das überlassen wir zunehmend Computerprogrammen, indem wir googeln oder Erinnerungen in der Cloud ablegen, zum Beispiel in Form von Fotos oder Videos.
Der digital vernetzte Computer wird zum allgegenwärtigen Begleiter und Assistenten, der uns zu allwissenden »Supermenschen« macht und für uns eine digital erweiterte Welt konstruiert.
»Die analoge Welt ist nur die halbe Realität«, schreibt der Autor Patrick Beuth in einem Artikel bei Zeit Online , der auf das»Project Glass« von Google verweist 25 . Die Datenbrille des Suchmaschinenriesen soll die nächste Ära der tragbaren Computer einleiten: Informationen werden direkt auf unsere Augen projiziert, die analoge Realität wird mit digitalen Daten angereichert. So entsteht eine »Augmented Reality«, eine erweiterte Realität. Dazu werden sämtliche verfügbaren individuellen Datenströme digital zusammengeführt, analysiert und gefiltert an uns zurückgespiegelt. Der mobile Computer wird zum persönlichen Assistenten und sorgt dafür, dass wir die Informationen des unendlichen Datenstroms überhaupt verarbeiten können. Wer einen Bahnhof betritt, dem werden beispielsweise automatisch die Abfahrtzeiten im Sichtfeld eingeblendet. Da die Brille dank »intelligenter« Sensoren den genauen Aufenthaltsort ihres Besitzers kennt und über sein tägliches Verhalten Bescheid weiß, kann ihr Programm mehr oder weniger intuitiv auf den Datenbrillenträger reagieren.
So stellt sich Google die nahe Zukunft vor: eine allseits vernetzte Welt, in der die Grenze zwischen online und offline endgültig verschwindet und Mensch und Computer miteinander verschmelzen.
Den menschlichen Körper mit künstlicher Sensorik auszustatten und somit das Bewusstsein und die Wahrnehmung (indirekt) zu erweitern, ist eine konsequente und logische Weiterentwicklung der computerisierten, technosozialen Evolutionsgeschichte. Digitale Schrittzähler, Bewegungsarmbänder, mit Sensoren ausgestattete Laufschuhe und »intelligente« Waagen dokumentieren die bewusste und unbewusste Aktivität des Körpers. Die visuell aufbereiteten Daten der eigenen Aktivität lösen im Betrachter einen Rückkopplungsprozess aus,der sich auf das eigene Verhalten auswirkt. Wer ein unmittelbares Feedback über sein eigenes Handeln erfahren will, der kann sein Verhalten nach selbst definierten Zielen anpassen und verändern. In solchen Feedbackschleifen wird
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