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Mein digitales Ich

Mein digitales Ich

Titel: Mein digitales Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ariane Christian u Greiner Grasse
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die Symbiose zwischen Mensch und Maschine deutlich: Wir sind zugleich Datenlieferant und Informationskonsument innerhalb eines endlosen, digitalen Informationskreislaufes, der es uns ermöglicht, neue Routinen und Verhaltensweisen zu entwickeln oder alte Muster zu verändern. Überzeugt von dieser These ist auch der US-amerikanische Autor Nir Eyal, der sich mit dem Thema »Behavioral Engineering« (technologische Verhaltensplanung) beschäftigt. Im Skype-Interview erzählt Eyal, dass die technisch unterstützten Rückkopplungsschleifen auf unser Verhalten bereits überall im Netz zu finden sind.

    »Es gibt Unternehmen, die uns körperlich aktiver machen, wie die Jogging-Plattform Runkeeper oder so etwas wie 42goals.com. Ein Dienst, der einem dabei hilft, tägliche Aktivitäten festzuhalten. Das nutze ich zum Beispiel jeden Tag, auch um neue Gewohnheiten zu entwickeln. Und dann ist da natürlich Facebook. Das nutze ich wie so eine Art privates Tagebuch, um Dinge festzuhalten, die mir wichtig sind. Das Netz ist voll von Diensten, die um unsere Zeit und Aufmerksamkeit kämpfen, und genau deshalb ist es für Unternehmen immer wichtiger, dass sie zur Gewohnheit werden. Wenn sie das schaffen, haben sie einen riesigen Wettbewerbsvorteil, selbst wenn ein Dienst kommt, der genau dasselbe anbietet.«
    Wie können Gewohnheiten mithilfe von Technik geplant bzw. designt werden?

    »Ich erkläre das mal am Beispiel von Facebook. Eine der wichtigsten Ideen, die Facebook hatte und die ihnen dabei geholfen hat, den Kampf zwischen den sozialen Netzwerken zu gewinnen, hatte mit Fotos zu tun. Leute bekamen E-Mails, in denen zu lesen war, dass sie jemand auf einem Facebook-Foto markiert hat. Das ist der Auslöser. Die anschließende Handlung, die Facebook von Grund auf geplant und designt hat, hat damit zu tun, dass hinter dem Foto eine variable Belohnung steckt. Variabel deshalb, weil ich nicht weiß, ob das ein schönes Foto von mir ist oder eines, auf dem ich betrunken auf dem Bürgersteig liege. Das gleiche Prinzip kann man auch beim Glücksspiel erkennen. Man weiß, dass es eine Belohnung geben wird, wie hoch die ist oder ob sie gut oder schlecht ist, weiß man jedoch nicht, und das macht es so interessant für uns. Genau aus diesem Grund müssen wir auch auf den Facebook-Link in der E-Mail klicken. Wir müssen es einfach wissen. Wir können nicht widerstehen. Nachdem wir nun auf das Foto geklickt haben und es endlich sehen, kommt die finale Phase, die Bindung. Die ist vor allem für das Unternehmen wichtig, denn in dieser Phase zahlt der Nutzer. Mit Zeit, mit Daten oder sogar mit Geld. Die Bindung ist dann abgeschlossen, wenn man sich anmeldet. Dann haben sie dich. Mit diesen vier Schritten kann man Gewohnheiten erzeugen, das funktioniert online genauso wie offline.«
    Warum funktioniert das so gut?

    »Nun, der Bereich der Gewohnheits- bzw. Verhaltensforschung hat natürlich eine lange Tradition. Womit ich mich besonders beschäftigt habe, ist, inwiefern Dopamin unser Verhalten und unsere Gewohnheiten beeinflusst. Der Neurowissenschaftler und Hirnforscher Wolfram Schulz hat an der University of Cambridge herausgefunden, dass Glückshormone bereits dann ausgeschüttet werden, wenn eine Belohnung versprochen wird – und nicht erst, nachdem man eine Belohnung erhalten hat. Diese Erkenntnis ist unglaublich wertvoll, denn mit diesem Wissen kann man sozusagen unser Dopamin anzapfen. Das führt dazu, dass wir so etwas wie Begehren gegenüber Daten und Diensten fühlen. Die Arbeit der Neurowissenschaftler zeigt auch, dass variable Belohnungen, also dass wir nicht wissen, was genau sich hinter einer Nachricht verbirgt, zu mehr Dopamin-Ausschüttung führen. Das verstärkt die Tendenz zur Bindung an eine Gewohnheit. Wenn man dann noch den Trend der wachsenden Datensammlung der Nutzer betrachtet, die Firmen heute besitzen, kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass die komplette Netzwelt wie eine Art Droge aufgebaut ist.«
    Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir uns ganz genau überlegen müssen, wem wir solche Eingriffe in unser Verhalten, in unsere Gewohnheiten erlauben wollen.

    »Genau! Jeder, der nicht versteht, wie das Behavioral Engineering funktioniert, riskiert natürlich, manipuliert zu werden. Wir müssen uns klarmachen, dass die Mini-Computer, d ie wir in unseren Hosentaschen herumtragen, uns zwar Zugang zur Welt verschaffen und uns verbessern, dass sie aber auch gleichzeitig eine Schnittstelle zu uns erzeugen. Und das immer

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