Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)
und andere Länder eingeladen.
Zwar hat Deutschland schließlich geholfen, aber nach allerhand Schwierigkeiten, nach überflüssigen negativen Ankündigungen und mancherlei markigen Worten. Bisweilen schien es, als ob es der Bundesrepublik allein um taktische Vorteile ging und vornehmlich um eine möglichst kleine finanzielle Belastung. Auch die heutige, meist aus England und aus den USA herüberschwappende Diskussion um die Zukunft hoch verschuldeter Mitgliedsstaaten der EU lässt uns Deutsche nicht in gutem Licht erscheinen.
In dieser Lage scheint es notwendig, uns Deutsche an unsere Geschichte der vergangenen sechzig Jahre zu erinnern. Im Gegensatz zu Kurt Schumacher und zur SPD akzeptierten Konrad Adenauer und die CDU / CSU 1950 den Schuman-Plan, später die sogenannte Wiederbewaffnung und die Bindung der Bundesrepublik an den Westen. Als Willy Brandt und die Sozialdemokraten – nach drei Jahren Vorlauf in der Großen Koalition – 1969 an die Regierung kamen, erfüllten sie selbstverständlich alle vorgefundenen Verträge. Sie stimmten für den weiteren Ausbau der europäischen Integration und für die Erweiterung zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Sie setzten gegen den Willen der CDU / CSU die neue Ost- und Deutschlandpolitik und den vertraglichen Verzicht auf deutsche Atomwaffen durch; sie beteiligten sich gegen den Willen der CDU / CSU -Opposition an der Helsinki-Konferenz 1975 und unterzeichneten deren Schlussakte – einschließlich des Bekenntnisses zu den Menschenrechten; sie modernisierten die Bundeswehr und wehrten sich gegen die vornehmlich gegen Westdeutschland gerichtete neue sowjetische Drohung mit atomaren Mittelstreckenraketen durch den NATO -Doppelbeschluss. Als Helmut Kohl 1982 wieder die CDU / CSU ans Ruder brachte, akzeptierte er alle diese Akte. Zu seiner Zeit öffnete sich 1989 im Osten die Chance zur Vereinigung ganz Europas und zugleich Deutschlands. Die SPD und an ihrer Spitze Oskar Lafontaine erhoben Einwände. Aber als 1998 die SPD unter Gerhard Schröder wieder ans Ruder kam, akzeptierte sie, was Helmut Kohl 1990 im Zwei-plus-Vier-Vertrag und 1991 / 92 in Maastricht verabredet hatte. Ebenso hielt es danach die Große Koalition unter Merkel.
Auch wenn seit 1949 die jeweilige Oppositionspartei auf das heftigste die jeweilige Bundesregierung kritisiert hat, so hat doch jede neue Regierung ohne zu zögern die Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die Deutschlandpolitik und ebenso nachhaltig den Ausbau der europäischen Integration fortgesetzt. So haben dann auch Schröder und Merkel die unter Kohls Mitwirkung beschlossene Euro-Währung tatkräftig verwirklicht und aufrechterhalten.
Diese Stetigkeit der Bundesrepublik Deutschland ist bis heute einer der unverzichtbaren Faktoren in der Entwicklung des Gemeinsamen Marktes, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der Europäischen Union – und der Abschreckungskraft des Nordatlantischen Bündnisses gegenüber der damals bedrohlichen Sowjetunion – und zuletzt der neuen weltweiten Euro-Währung gewesen.
Der über sechzig Jahre langen Geschichte gemeinsamer Politik aller bisherigen Bundesregierungen in Bonn und in Berlin lag – trotz allen parteipolitischen Getümmels und trotz aller abwegigen Opposition – eine entscheidende Einsicht zugrunde: Die Integration Europas liegt sowohl im langfristigen strategischen Interesse der damals noch geteilten, heute vereinten deutschen Nation als auch im Interesse aller anderen europäischen Nationalstaaten.
Der große Franzose Jean Monnet hat schon im Jahr 1950 gewusst und es auch gesagt, dass die Zusammenfügung einer Mehrzahl von europäischen Nationalstaaten zu einer dauerhaft gemeinsam agierenden Gemeinschaft ein in der Weltgeschichte bisher nirgendwo vorgekommenes Vorhaben darstellt. Dass es deshalb dafür keinen endgültigen Plan geben kann und man schrittweise vorgehen muss.
Wir befinden uns immer noch in diesem schrittweisen Prozess. Aber schon seit zwei Jahrzehnten hat dieser Prozess sich nach Osten ausgedehnt. Vor allem hat er uns Europäern mehr als sechzig Jahre Frieden gegeben. Ganz anders als in der ersten Hälfte des 20 . Jahrhunderts, ganz anders als im 19 . Jahrhundert: Kein großer Krieg in Europa! Zugleich ist eine Europäische Union entstanden, die weder Staatenbund ist noch Bundesstaat, sondern vielmehr etwas ganz Neues, etwas ganz Eigenartiges – und etwas zugleich immer noch Unfertiges!
Wir haben keine gemeinsame Sprache. Wir haben eigentlich nicht einmal
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