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Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)

Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)

Titel: Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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Tage nur mit einem sehr wachen Sinn für die realen ökonomischen und politischen Kraftfelder dem wohlverstandenen Interesse seines Volkes und dem wohlverstandenen Interesse aller Völker am besten dienen kann. Das heißt nicht, und es darf nicht heißen, dass der Außenpolitiker etwa ohne sittliche Fundierung, ohne langfristige Zielansprache, sein Geschäft zu betreiben habe.
    Ich sehe also meine Aufgabe heute eher darin, ein wenig – ich drücke mich mal ganz modern aus, hoffe ich jedenfalls – zur Schärfung des Problembewusstseins beizutragen und dies in Form einer Tour d’horizon durch die deutsche Außenpolitik zu unternehmen, um dabei an einzelnen Problemen beispielhaft ein wenig deutlicher zu machen, welches die Leitgedanken sind, denen wir anhängen und welche Ziele wir verfolgen.
    Dabei wird auch klar werden, wie wir deutschen Sozialdemokraten das wohlverstandene Interesse unseres eigenen Volkes international eingebettet sehen. Es muss wohl nicht extra noch einmal klargemacht werden, dass und wie sehr wir uns dabei am Friedensgebot orientieren. Aber vielleicht wird etwas deutlicher werden, auch im Laufe dieser drei Tage, wie sehr wir uns um Partnerschaft und um Ausgleich in der Welt praktisch bemühen. Ich halte die Kurzüberschrift über dieser Konferenz »Partnerschaft heute« in der Tat für die einzig mögliche, kennzeichnende Formel für die Gesamtheit der deutschen Außenpolitik, wenn man sie denn überhaupt auf eine kurze Formel bringen kann oder darf.
    Ich will noch eine weitere Vorbemerkung machen. Wir sind uns sicher darin einig, dass es eine – heute jedenfalls – viel komplexere Aufgabe ist, den Frieden zu sichern und den Ausgleich der Interessen zu bewirken als das in früheren Generationen, wo es auch schwierig war, der Fall gewesen ist.
    Die Welt unserer Tage streitet sich nicht nur darum, ob die richtige Ordnung des menschlichen Zusammenlebens von einem Ideenmonopol diktiert werde oder besser in einem Ideenpolypol oder, lassen Sie es mich so sagen: in einer offenen Gesellschaft gesucht und gefunden werden muss. Sie ist auch in einen zunehmend schärferen Kampf um die Ressourcen, in einen Weltverteilungskampf eingetreten, in einen Kampf, wenn Sie so wollen, um die Anteile am Weltprodukt, um die Parallele zu ziehen, und zwar sehr bewusst zu ziehen zu den Verteilungskämpfen innerhalb jeder nationalen Gesellschaft um die Anteile am Bruttosozialprodukt.
    In solchen Auseinandersetzungen wären Einseitigkeit, Engstirnigkeit, Mangel oder gar Abwesenheit des Verständnisses für Interdependenz und Interaktion (wenn ich diese englischen, mir sehr zusagenden Worte einfach mal so ins Deutsche übernehmen darf), in einer solchen Welt wären Scheuklappen fundamentale, lebensgefährliche Mängel. So ist Außenpolitik heute für uns nicht eine Spezialdisziplin wohlgekleideter, weißbärtiger, sich gut benehmender Diplomaten, sondern sie ist eben zugleich Weltwirtschaftspolitik, Weltrohstoffpolitik, Weltagrarpolitik, Weltwährungspolitik, Weltentwicklungspolitik und Weltsicherheitspolitik.
    Wir müssen uns heute, anders als früher, nicht nur um unsere eigenen Nachbarn auf dem europäischen Kontinent kümmern und um unser Verhältnis zu ihnen, sondern wir leben heute im eigentlichen Sinne des Wortes, das sich von Universum ableitet, in einem universalen System wechselseitiger Abhängigkeiten der Nationen, totaler Interdependenz der politischen und der wirtschaftspolitischen Entwicklungen. Das haben viele Außenpolitiker noch nicht voll verstanden. Ich meine nicht nur in der Bundesrepublik, sondern überall auf der Welt; auch Regierungen haben es zum Teil nicht voll verstanden, dass zum Beispiel Weltwährungspolitik seit zwei Jahren ein ganz entscheidender Faktor geworden ist für die Gestaltung der Beziehungen der Staaten zueinander, der Lebensverhältnisse in den Staaten, die miteinander gemeinsam existieren müssen. Aber dies ist nur ein Beispiel.
    Für Entwicklungspolitik beispielsweise wurde das etwas früher begriffen. Für Ölpolitik aber hat es bisher nur ein sehr, sehr kleiner Teil der beteiligten Regierungen wirklich verstanden. Es ist also diese immer totaler werdende Interdependenz, die Interaktionen unvermeidlich auslöst, keineswegs überall erkannt, und deswegen ist eben der Weg zur Partnerschaft in all diesen Fragen – auf lange Zeit vorhersehbar – ein ziemlich steiniger Weg. Manche Dornenhecke muss überwunden werden. Und wir werden sehen, dass wir uns eben immer wieder mit neuen,

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