Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)
gestiegen ist. In Klammern füge ich hinzu: Man kann in dieser durch die Kapital-, Kredit- und Devisenmärkte der Welt vorgenommenen Bewertung erkennen, wie hoch die Teilnehmer der Weltwirtschaft die zukünftige Leistungsfähigkeit und Stabilität der deutschen Volkswirtschaft und der deutschen Gesellschaft einschätzen. Klammer zu!
Natürlich ergibt sich aus diesen Währungsunterschieden dann auch, dass die Preise, die wir für unsere Einfuhren zu bezahlen haben, im Laufe der letzten drei Jahre wesentlich geringer angestiegen sind als die Einfuhrpreise für die übrigen Länder der Gemeinschaft. Hier haben Sie wieder den Zusammenhang mit den Lebenshaltungskosten. Aber auch unsere eigenen Ausfuhrpreise sind sehr viel weniger gestiegen als diejenigen anderer Partnerstaaten, jeweils gemessen in der Landeswährung.
Dies alles schlägt sich natürlich auch auf den Arbeitsmärkten nieder. Auch in Sachen Arbeitslosigkeit entwickelt sich die Bundesrepublik Deutschland in diesem Weltrezessionsjahr deutlich positiver, als die Entwicklungen in den Partnerstaaten verlaufen.
Ebenso ist natürlich der erwartete Niederschlag im realen Zuwachs sowohl des Bruttosozialprodukts als auch des Volkseinkommens bei uns größer als anderwärts in der Gemeinschaft.
Es ist klar, dass uns in Deutschland diese Entwicklungen nicht in den Schoß gefallen sind. Zum Teil beruhen sie darauf, dass – dies ist der negative Aspekt der Ursachen – eine Harmonisierung des ökonomischen Verhaltens der neun Mitgliedsstaaten und ihrer Regierungen trotz allen deutschen Drängens und trotz vieler deutscher Initiativen und Vorschläge über eine Reihe von Jahren – nicht nur die gegenwärtige Bundesregierung, sondern auch ihre Vorgängerin und die ihr vorangegangenen Bundesregierungen haben darauf gedrängt – nicht entfernt in ausreichendem Maße geglückt ist. Eine konsequente Wirtschafts- und Sozialpolitik, die sich auf ein verantwortungsbewusstes Verhalten der Sozialpartner stützen konnte, hat uns einen hohen Grad von Stabilität gegeben. Das ist befriedigend für uns. Die unterschiedliche Entwicklung hat aber für Europa und damit auch für unsere Europapolitik eine sehr schwierige Situation geschaffen.
Das Ausscheiden Frankreichs aus dem europäischen Währungsverbund, der sogenannten Schlange, war eine Konsequenz dieser Sachlage. Wir haben Frankreichs Ausscheiden bedauert. Wir waren zu einer Anpassung aller Leitkurse – auch der D-Mark – innerhalb des Wechselkursverbundes, innerhalb der Schlange bereit, wir waren zur Aufwertung bereit, um den Zusammenhalt des Währungsverbundes zu ermöglichen. Von Frankreich ist dies gewürdigt worden.
Ich will in diesem Zusammenhang aber auch sagen, dass die währungs- und stabilitätspolitische Aufgabe des Wechselkursverbundes, also der Schlange, dann unweigerlich beeinträchtigt wird, wenn in diesem Verbund Währungen von Ländern aneinandergebunden sind, deren wirtschaftliche Grunddaten eben nicht einigermaßen parallel, sondern so auseinanderstrebend verlaufen, wie ich es vorhin vorgetragen beziehungsweise aus den Papieren, die die Kommission in Luxemburg vorgelegt hat, zitiert habe.
Ich habe mich im Europäischen Rat in dieser Lage gegen währungspolitische Kunstgriffe gewandt. Durch Veränderung der bestehenden oder durch Schaffung neuer Mechanismen käme die Wirtschafts- und Währungsunion ebenso wenig voran, wie Europa damit gedient wäre, wenn sich die Partner stabilitätspolitisch etwa auf einer mittleren Linie träfen, das heißt wenn wir, um uns den anderen anzunähern, bewusst mehr Inflation in Kauf nähmen oder gar mit Fleiß herbeiführten. Anregungen in dieser Hinsicht sind uns gegenüber übrigens durchaus im Ernst gegeben worden. Wir können dies nicht auf uns nehmen, weil wir doch unsere wirtschaftliche und unsere soziale Stabilität erhalten müssen und wollen.
Schon bisher erbringen wir erhebliche finanzielle Beiträge für die Gemeinschaft – ich erwähnte das bereits –, bis hin zu jenen anderthalb Milliarden DM , die wir infolge von Verrechnungseinheiten und Verrechnungsmodalitäten innerhalb der Gemeinschaft zahlen, die auf längst überholten alten Wechselkursen beruhen. Ich will hier trotzdem ganz klar sagen: Die Bundesregierung wird dem Bundestag und dem deutschen Steuerzahler auch in Zukunft Opfer zugunsten der Europäischen Gemeinschaft und sogar zugunsten einzelner Partner innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zumuten müssen – und sie will dies auch tun –,
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