Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)
Druck eines Eroberers, nicht unter dem Daumen eines allmächtigen Kaisers, nicht unter dem Druck eines Diktators, sondern freiwillig aus der Erkenntnis ihrer eigenen Interessen.
So schwierig wie die europäische Integration auch bleiben wird und wie viele Krisen wir dabei auch noch erleben werden: Weil die strategischen Grundprinzipien inzwischen vordringen in das Bewusstsein der leitenden Politiker – bei manchen etwas später, bei manchen eher, auch der nachwachsenden Politiker –, deswegen bin ich durchaus nicht pessimistisch.
Abschließen möchte ich mit einer letzten Bemerkung über den großen Franzosen Jean Monnet. Er war ein Regisseur, nicht einer, der selbst auf der Bühne die erste tragende Rolle spielte. Der Regisseur, der am Theater Shakespeare aufführen will – sei es ein Drama oder sei es der »Sommernachtstraum« oder »Was ihr wollt« –, der kann gezwungen sein, Streichungen im Text Shakespeares vorzunehmen, weil sonst das Stück zu lang ist. Er kann sich neue Bühnenbildner holen, dann sieht der »Sommernachtstraum« auf der Bühne ganz anders aus als vor dreißig oder vierzig Jahren. Aber Jean Monnet war mehr als ein Regisseur am Theater in diesem Sinne. Er brauchte auch keinen Shakespeare. Sondern der Regisseur schrieb sein Drama selbst. Er hatte alles im Kopf. Er hat sein Stück selbst erfunden, er hat es im Gespräch mit anderen abgerundet, ehe er es wirklich auf die Bühne brachte, oder ehe er den nächsten Akt auf die Bühne brachte. Sein Drama bestand aus vielen Akten, einer nach dem anderen. Er hat hier probiert und dort probiert, abgerundet, vielleicht auch mal einen ganzen Akt vorübergehend zurückgestellt, auch einmal eine Szene ganz gestrichen und ersetzt durch eine andere, weil er das weltpolitische Theater nicht überspannen und überfordern wollte. Er war in meinen Augen ein einzigartiger Mann, ein Kerl, wie man in Deutschland auch wohl sagt, ein Genie.
Sechs Gründe, warum der Euro nicht scheitern darf ( 1997 )
In der deutschen Öffentlichkeit formierte sich im Frühjahr 1997 , gestützt auf einschränkende Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts und kritische Verlautbarungen der Deutschen Bundesbank, massiver Widerstand gegen die zum 1 . Januar 1999 beschlossene Einführung des Euro. Die Regierenden hatten diesen Protest zu einem großen Teil selbst zu verantworten, da sie in Maastricht mit dem Beschluss zum Inkrafttreten der gemeinsamen Währung zugleich das bis dahin funktionierende Europäische Währungssystem ( EWS ) abgeschafft hatten. Auf diese Weise entstand ein Vakuum – »sieben Jahre der Wirrnis« (Schmidt) –, das die Eurogegner nutzten, um immer aufs Neue eine Verschiebung einzufordern. Im Juni 1997 wandte sich Helmut Schmidt in einem Artikel der ZEIT gegen jede Panikmache und betonte das Primat des Politischen; die Integration Europas dürfe nicht davon abhängig gemacht werden, ob ein potentieller Mitgliedsstaat die finanztechnischen, von irgendeiner Behörde erstellten »Stabilitätskriterien« erfülle.
K ann, darf, soll die Einführung der gemeinsamen europäischen Währung verschoben werden? Die Debatte darüber ist in vollem Gange. Aber über die schwerwiegenden Probleme, die sich aus einer Vertagung – oder gar aus einem Scheitern – des Euro ergeben würden, erfährt man von den Politikern und aus den Medien fast nichts, auch nichts von der Bundesbank und sehr wenig von den unternehmerischen Verbänden und den Gewerkschaften. Die deutsche Euro-Debatte ist von erschreckender Einfalt. Sehr früh haben der Bundestag und das Bundesverfassungsgericht Ängste vor einer angeblichen Instabilität des Euro wachgerufen, und jahrelang haben Mitglieder des Zentralbankrates der Bundesbank diese Ängste geschürt. Wenn diese negativen Kräfte letztlich Erfolg haben sollten, so muss man mit schlimmen Konsequenzen rechnen.
1 . Wer das im Maastrichter Vertrag eindeutig festgelegte Datum des Inkrafttretens der gemeinsamen Währung, nämlich spätestens den 1 . Januar 1999 , hinausschieben wollte, der müsste den Vertrag durch einen Zusatzvertrag ergänzen, der einer Ratifikation in fünfzehn nationalen Parlamenten bedürfte. Wer sich stattdessen einfach über den klaren Maastrichter Text hinwegsetzte, der liefe Gefahr, wegen einer Vertragsverletzung vor dem Europäischen Gerichtshof zu scheitern.
2 . Schon der bloße Beginn einer Verschiebungsdiskussion zwischen den beteiligten Regierungen würde auf den Devisenmärkten zu einer abermaligen Aufwertung
Weitere Kostenlose Bücher