Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)
geldpolitische Daten abzustellen war ein zusätzlicher Fehler. Heute könnten selbst Japan oder die Vereinigten Staaten diese Kriterien nicht erfüllen.
Gottlob ist der Maastrichter Vertrag um einiges klüger als die Herren Stoiber (»eisenhart an den Stabilitätskriterien festhalten«) oder Schäuble (»strenge Wahrung der vereinbarten Kriterien«) noch in den allerletzten Tagen. Denn über den Maastrichter Kriterien steht der Artikel 104 c des EU -Vertrages: »Wenn ein Staat keines oder nur eines dieser Kriterien erfüllt, so … wird berücksichtigt, ob das Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen übertrifft; berücksichtigt werden ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage.« Entscheidend bleibt also die qualifizierte Mehrheit des Europäischen Rates. Im Klartext: Der politische Wille der Regierungschefs entscheidet.
In ihrem Bewusstsein wird freilich die Arbeitslosigkeit die größte Rolle spielen. Aber auch der Euro kann nur langfristig zu höherer Beschäftigung beitragen, kurzfristig bleibt er ohne Beschäftigungseffekt. Die Währungsunion war und ist keine Beschäftigungspolitik, sie ist vielmehr eine strategische Notwendigkeit für Europas weltpolitische und wirtschaftliche Selbstbehauptung. Wer jedoch den Euro abserviert, der wird die Arbeitslosigkeit noch vermehren.
»Was aber wird aus meiner Rente?«, so fragt manch einer. Die Antwort lautet: Die Rente hängt nicht vom Euro ab, sondern vielmehr von Beschäftigung und Wachstum der deutschen Wirtschaft.
»Ist nicht die Umstellung auf den Euro eine Währungsreform wie 1948 , bei der wir unsere Sparguthaben zum größten Teil eingebüßt haben?« Antwort: Nein, es handelt sich nicht um Streichung von D-Mark-Guthaben, sondern um einen Umtausch, ähnlich dem Umtausch von Mark in Peseten, wenn einer nach Mallorca fährt; dabei bleibt die Kaufkraft dieselbe.
»Ja, aber was ist, wenn später die Kaufkraft des Euro sinken sollte, wenn er keine stabile, sondern eine weiche Währung würde?« Antwort: Der Außenwert des Euro (also der Wechselkurs gegenüber dritten Währungen) wird stabiler sein als der Wechselkurs der D-Mark, der in den letzten drei Jahrzehnten ständig gestiegen ist, die deutschen Produkte für die Außenwelt immer teurer gemacht und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt hat; früher zahlten die Amerikaner für ein 4000 Mark teures Exportprodukt 1000 Dollar, heute müssen sie dafür aber 2400 Dollar zahlen, sie kaufen deshalb billigere Produkte aus Ostasien. Dagegen wird der Binnenwert des Euro auf dem gemeinsamen Markt und damit auch in Deutschland ähnlich stabil sein wie bisher die D-Mark, denn die Europäische Zentralbank ist genauso unabhängig von politischen Weisungen wie bisher die Bundesbank.
»Wenn aber Italien oder Spanien oder Frankreich oder Deutschland auch in Zukunft mehr Geld ausgibt, als es einnimmt, und wenn seine Defizite sich häufen?« Antwort: Weil Artikel 104 des Maastrichter Vertrages es der Europäischen Zentralbank verbietet, der EU oder einem Teilnehmerstaat Kredite zu geben, so müssen defizitär wirtschaftende Teilnehmerstaaten sich ihre Kredite auf den privaten Finanzmärkten holen. Je mehr Kredite sie aufnehmen, umso höher wird der Zinssatz sein, den sie zu zahlen haben, und umso mehr werden sie sich infolgedessen selbst bestrafen. Bisher konnten sie ihre nationale Zentralbank politisch zwingen, Geld zu drucken – darin lag ja die Hauptursache ihrer Inflation. Aber vom 1 . Januar 1999 an ist ihre Zentralbank nur noch eine untergeordnete Filiale der gemeinsamen Europäischen Zentralbank.
»Warum sind dann aber die Herren der Bundesbank gegen den Euro?« Antwort: Weil es sie schmerzt, zur untergeordneten Filiale herabgestuft zu werden, und weil sie ihre in der Welt ziemlich einmalige Ideologie für allein selig machend halten.
Deutschland befindet sich im Zustand eines schweren wirtschaftlichen Ungleichgewichts: Wachsende Arbeitslosigkeit und wachsende Staatsquote steigern sich gegenseitig, wie zu Heinrich Brünings Notverordnungszeiten. Demgegenüber bliebe der Pakt für Arbeit eine Farce, der beabsichtigte Wegfall der Lohnfortzahlung für kranke Arbeiter (wieso eigentlich nicht für kranke Angestellte, Manager und Politiker?) eine ergebnislose Sottise und die längere Ladenschlusszeit ein Schlag ins Wasser.
Es bleibt die Arbeitslosigkeit – es sei denn, die Bonner Politiker erkennen, dass sie selbst die
Weitere Kostenlose Bücher