Mein feuriges Herz
können, ist mir das hundert Pfund wert.“
Die schmuddelige Vettel mit den verfilzten grauen Haaren bekam große Augen. „Hundert Pfund? Auch wenn das Kind gestorben ist?“
Corries Magen krampfte sich zusammen, nicht zum ersten Mal an diesem Tag.
„Ja“, antwortete Gray. „Wenn Sie beweisen können, dass es das Kind ist, das wir suchen.“
Die Alte beäugte ihn misstrauisch. „Ich habe es nicht aufgenommen. Aber ich kann mich mal umhören, vielleicht erfahre ich etwas.“
Gray gab ihr seine Visitenkarte.„Sollten Sie Hinweise erhalten, melden Sie sich bei uns und bekommen eine gute Belohnung.“
In ähnlicher Weise verliefen die Gespräche an jedem Haus, das sie aufsuchten. Sie wurden nur selten hereingebeten, bekamen aber auch dann kein Kind zu Gesicht, weil es vermutlich in einer Kammer weggesperrt war. Corrie hörte nur jämmerliches Wimmern und konnte sich vorstellen, wir furchtbar das arme Wesen litt.
Als sie das letzte Haus verließen, begann sie zu weinen. „Ich kann das nicht ertragen, Gray. All die armen, unschuldigen Kinder. Wir müssen etwas tun, um ihnen zu helfen.“
Gray war ebenso betroffen und wütend wie sie. „Wir reden mit Krista, was wir tun können, um dieses Elend zu bekämpfen.“
Dankbar nickte Corrie und ließ sich von ihm in den Wagen helfen. „Für heute haben wir genug getan. Lass uns nach Hause fahren.“
Sie warf noch einen Blick auf die halb verfallene Elendshütte. „Es steht nur noch ein Name auf unserer Liste. Die Adresse liegt auf dem Rückweg. Vielleicht finden wir den kleinen Joshua doch noch“, murmelte sie mit matter Stimme.
Gray hob ihr Kinn an. „Bist du sicher, Schatz, dass du noch dorthin fahren möchtest? Ich sehe doch, wie dich das alles mitnimmt.“
„Bitte, Gray.“
Seufzend willigte er ein, da ihn dieses Elend ebenso bedrückte wie sie.
Das Holzhaus in der Golden Lane war heruntergekommen, die Farbe blätterte ab, die Fensterläden hingen schief in den Angeln. Als sie die Holzstufen hinaufstiegen, krachten die morschen Bretter unter ihren Füßen. Gray nahm Corrie beim Arm.
Er musste mehrmals klopfen, bevor sich schlurfende Schritte näherten. Die Tür knarrte und wurde einen Spalt geöffnet. Eine Frau mit einer schmutzigen Haube auf dem zerzausten Haar streckte den Kopf heraus.
„Sind Sie Mrs. Burney?“, fragte Gray.
„Wer will das wissen?“
„Wir suchen ein Kind, etwa sechs Monate alt.“
Ein Baby begann zu schreien, ein erbarmungswürdiges, klägliches Wimmern.
„Ich habe nur eines in Pflege, und das ist jünger.“
Es war immer wieder die gleiche Geschichte. Diese sogenannten Pflegekinder wurden nicht einmal ein halbes Jahr alt. Corrie drängte ihre Tränen zurück.
„Es gibt eine gute Belohnung für das Kind, das wir suchen.“ Gray nannte ihr die Einzelheiten und gab ihr seine Karte.
Und dann weinte das Kind wieder, ein herzzerreißendes Schluchzen. Corrie ertrug es nicht länger. Sie stieß die Tür auf, drängte sich an der Frau vorbei und stürmte ins Haus.
„Moment mal! Was fällt Ihnen ein?!“
Unbeirrt lief Corrie weiter, durch die Küche in eine düstere Kammer. In einer grob gezimmerten Kiste lag ein winziger, völlig abgemagerter Säugling auf einem vor Dreck starrenden Lumpen und war nicht einmal zugedeckt.
„Was erlauben Sie sich?“ Mrs. Burney stapfte hinter ihr her.
Corrie achtete nicht auf die keifende Alte, sondern hob das Baby aus der Holzkiste in ihre Arme, um es zu wärmen. „Ist das Ihr Baby?“
„Ich habe es in Pflege.“
Tröstend wiegte Corrie das Baby. „Nein das haben Sie nicht. Sie lassen es verhungern und verwahrlosen. Das ist eine Schande.“
„Coralee … Liebling …“ Gray trat zu ihr.
„Ich nehme das Kind mit, Gray. Ich dulde nicht, dass dieses arme Wesen noch länger leidet.“
„Es gehört nicht dir, Liebes.“ Seine weiche Stimme und seine zärtliche Miene weiteten ihr das Herz.
„Ihr gehört es auch nicht.“ Mit tränenverschleiertem Blick sah sie ihn an. „Ich darf es nicht hierlassen. Das Kind ist halb verhungert. Ich bringe es nicht übers Herz, noch ein Baby seinem grausigen Schicksal zu überlassen. Bitte, verlange das nicht von mir.“ Sie hielt das winzige Wesen in den Armen, hörte seine schwachen Atemzüge, spürte die seidigen Härchen an ihrer Wange. Sie wollte es nicht sterben lassen.
Gray wandte sich an die verwahrloste Frau. „Wie viel wollen Sie für das Kind?“
„Es ist nicht zu verkaufen.“
„Wie viel?“
„Für zwanzig Pfund gehört er
Weitere Kostenlose Bücher