Mein Flirt mit der Blutfrau
nicht.
Dafür das Blut!
Es war überall. Auf dem Boden, der Wäsche und sogar an der Wand. Sekundenlang stand Juan unbeweglich. Dann hörte er jemanden schreien und weinen zugleich.
Juan kam nicht auf den Gedanken, daß er es war, der so schrecklich geschrien hatte…
***
Zwei fette Fliegen krabbelten an der hellen Wand hoch, stießen sich ab und flogen zur Decke, wo sie sich festklammerten und auch hockenblieben. Ich saß auf einem harten Stuhl und verfolgte ihren Flug. Mir gegenüber stand ein Schreibtisch, an der Wand hing das Bild des Königs. Und vor dem Schreibtisch saß ein Offizier der Guardia Civil und schaute mich aus trüben Augen an.
Ich hatte ihm gegenüber meine Identität gelüftet und kannte auch seinen Namen sowie den Dienstgrad.
Er hieß Sánchez, war Capitán und stand einer kleinen Sonderkommission vor, die sich um die schrecklichen Verbrechen kümmern sollte.
Ich war verhört worden, nicht so Lavinia di Luna. Während ich die Polizei informiert hatte, war es ihr gelungen, unbemerkt zu verschwinden, was mir natürlich zu denken gab.
Ich sah einfach keinen Grund für ihr Verschwinden. Sie persönlich hatte mit dem Mord nichts zu tun, sie war nur dabeigewesen, wie wir die Leiche fanden.
Weshalb dann ihre Flucht?
Eigentlich gab es nur eine Erklärung. Lavinia di Luna mußte ein schlechtes Gewissen gehabt haben. Etwas anderes war für mich undenkbar.
»Drei Morde«, sagte Sánchez und strich über sein glatt nach hinten gekämmtes, rabenschwarzes Haar. »Drei Morde in unserem Ort. Wie soll das weitergehen, Señor Sinclair?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sinnlos!« sagte Sánchez und hob beide Arme. »Es ist einfach sinnlos. Ein Tier macht so etwas nicht.«
»Ich weiß nicht, ob es sinnlos gewesen ist.«
»Ach ja?«
Ich nickte ihm zu und sah, wie er eine filterlose Zigarette aus der Packung holte und wenig später dicke Wolken paffte. »Für jeden Mord gibt es ein Motiv, und ich glaube fest daran, daß es auch für diese Taten Motive gibt.«
»Welches?«
»Das müssen wir eben herausfinden, Capitan.«
Er strich über seinen schmalen Nasenrücken und verengte die Augen.
»Die Ermordeten haben in ihrem Leben niemandem etwas getan. Sie waren völlig harmlos. Erst recht Esmeralda Pinosa. Eine Frau, die arbeitete, um über die Runden zu kommen, weil sie ihren Neffen, der bei ihr wohnte, großziehen mußte.«
»Weiß er schon Bescheid?«
»Ja. Er kam zu uns, weil er auf dem Speicher das Blut gesehen hat.«
Ich horchte auf. »Können Sie mir das näher erklären?«
Sanchez tat es. Ich hörte gespannt zu, denn auf das Wort Blut reagierte ich in der letzten Zeit sehr allergisch. Ich dachte an die Blutflecken auf der Tischdecke und auch an die Spuren auf dem Balkon.
»Dann ist die Tat wohl im Haus der Frau begangen worden.«
»So sehe ich es auch«, gab mir der Capitan recht. »Der Mörder hat die Leiche weggeschafft und dem Meer übergeben. Die Strömung ist hier so, daß sie alles wieder anschwemmt, was nicht weit genug in die See geschleudert wurde.«
Ich nickte. »Wenn es so ist, Capitan, dann frage ich mich, weshalb der Täter die Leiche nicht im Haus hat liegenlassen. Er muß doch damit gerechnet haben, daß man sie schnell findet.«
»Vorausgesetzt, es war ein Einheimischer.«
»Denken Sie an einen Fremden?«
»Ich weiß es nicht, Sehor Sinclair. Ich weiß eigentlich gar nichts mehr, wenn Sie verstehen. Ich tappe im dunkeln, ich fasse ins Leere, ich sehe keine Verbindung, und auch Juan hat uns nicht weiterhelfen können.«
»Hat der Junge überhaupt etwas gesagt?«
»Wenig.«
»Das hatte ich mir gedacht.«
Sanchez drückte seine Zigarette aus. »Wieso?«
»Vergessen Sie dies. Ich habe Ihnen ja von Lavinia di Luna berichtet, dieser Frau, die bei mir in der kleinen Bucht gewesen ist.«
»Si!« Er nickte.
»Ist Ihnen diese Dame bekannt, Capitan?«
»Nein. So, wie Sie die Frau beschrieben haben, wäre sie mir aufgefallen. Wir sind alle nur Menschen und keine Kostverächter, aber ich kenne sie nicht. Sie waren mit ihr zusammen. Sie müßten eigentlich mehr über diese Person wissen.«
»Stimmt, nur hat sie sich stark zurückgehalten. Wenn ich es recht überlege, hat sie kaum etwas Persönliches von sich gegeben. Wenigstens nichts, was bei mir im Gedächtnis hängengeblieben wäre.«
Der Capitan lächelte. »Ich kann Sie verstehen, Kollege. Wäre ich mit dieser Person zusammengewesen, hätte mich deren Schönheit ebenfalls geblendet. Sie fragen sich sicherlich, weshalb sie
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