Mein Flirt mit der Blutfrau
gar nicht erschüttert vom Anblick der Toten zeigte?
Ich erhob mich.
Wir schauten uns an. Nichts war in ihrem Gesicht zu lesen. Es blieb glatt, fast verschlossen. »Was ist, John? Hast du etwas?«
»Nein, nichts. Ich werde mich jetzt anziehen und die Bucht hier verlassen.«
»Und dann?«
»Werde ich die Polizei von einem dritten Mord in Kenntnis setzen…«
***
Es war eine lange Nacht gewesen, und die Gäste hatten einfach nicht gehen wollen. Nach dem offiziellen Feierabend erfolgte noch die Abrechnung, die hatte ebenfalls Zeit gekostet, so daß Juan erst weit nach Mitternacht und in den frühen Morgenstunden den Weg nach Hause antrat.
Mit seinen Einkünften hatte er sehr zufrieden sein können. Die Trinkgelder hatten die schlechte Bezahlung nicht nur ausgleichen, sogar übertrumpfen können.
Daß Juans Tante um diese Zeit nicht mehr auf den Beinen war, stand fest. Er wollte sie auch nicht wecken und bemühte sich, so leise wie möglich auf sein Zimmer zu gehen. Der Dienst begann erst am Nachmittag. Bis zum Mittag wollte er durchschlafen. Juan konnte trotz der langen Arbeitszeit noch nicht einschlafen. Seine Gedanken kreisten und konzentrierten sich auf einen Punkt, der den Namen Lavinia di Luna trug.
Er hatte die Frau gesehen und mußte zugeben, daß sie ihm gefiel. Er lächelte, als er daran dachte, daß sie ihm eigentlich hätte dankbar sein müssen, weil er dafür gesorgt hatte, daß es sie überhaupt so gab, wie sie jetzt aussah.
Irgendwann fielen ihm die Augen zu. Er hatte das Gefühl, einfach wegzuschweben, merkte nicht, wie die Sonne aufging und Etula zum Leben erwachte.
Gegen Mittag wachte er auf. Da war sein Zimmer von der Helligkeit erfüllt. Ihn störte das Sonnenlicht. Er wühlte sich auf die andere Seite, wandte dem Fenster den Rücken zu und schloß abermals die Augen. Wieder schlief er ein.
Als er zum zweitenmal wach wurde und auf seine Uhr schaute, war bereits der frühe Nachmittag angebrochen. Diese Tatsache gab ihm einen Schock. Juan sprang aus dem Bett und lief zur Tür. Er wunderte sich darüber, daß ihn seine Tante nicht geweckt hatte. Das tat sie sonst immer, wenn er ihrer Ansicht nach zu lange schlief. Im Türspalt blieb er stehen und rief den Namen seiner Tante in das Haus hinein. Eine Antwort bekam er nicht.
Er hob die Schultern und dachte daran, daß sie wohl unterwegs war, um Besorgungen zu machen. Bis sie zurückgekehrt war, konnte er sich gewaschen haben.
Das kleine Bad lag unten. Es war mehr ein Verschlag ohne Heizung. Aus einem Boiler ließ er warmes Wasser in die Wanne laufen, setzte sich hinein, seifte sich ab und wusch auch noch seine Haare. Gomez achtete sehr darauf, daß seine Angestellten sauber und adrett zum Dienst erschienen. Er zog frische Kleidung an, ging in den Wohnraum und wunderte sich darüber, wie leer er aussah.
Seine Tante war nicht da - okay, das nahm er hin. Das kannte er auch. Aber jetzt hatte er das Gefühl, als wäre einiges anders geworden, obwohl sich äußerlich nichts verändert hatte.
Was fehlte?
Juan blieb inmitten des Zimmers stehen, dachte intensiv darüber nach und kam auch zu einem Ergebnis. Es war seine Tante Esmeralda. Nicht, weil sie fortgegangen war, das tat sie öfter, doch die Wohnung sah einfach so anders aus.
Kalt, unbewohnt - als würde die Tante nicht mehr zurückkehren. Juan schluckte, weil er einen dicken Kloß im Hals spürte. Er räusperte sich auch, trotzdem wurde es nicht besser. Das Gefühl blieb. Etwas war falsch gemacht worden.
Wie ein Fremder kam er sich vor, als er auch in die anderen Zimmer hineinschaute, ohne etwas entdecken zu können. Keine Spuren, keine Nachricht, die für ihn hinterlassen worden war. Einfach nichts, und das wurmte ihn stark.
In der kleinen Küche war der Tisch nicht gedeckt. Es sah auch nicht so aus, als hätte seine Tante am Morgen etwas gegessen. Auf der Spüle stand kein benutztes Geschirr.
Juan fröstelte. Ihn überkam ein Gefühl, das er mit einem Alpdruck vergleichen konnte. Er verspürte Angst um die Tante, und er nahm sich vor, sie zu suchen. Bestimmt war sie im Ort von jemandem gesehen worden, der ihm sagen konnte, wo sie hingegangen war. Juan lief hoch zu seinem Zimmer. Unterwegs kam ihm der Gedanke, doch auf dem Speicher nachzuschauen. Er konnte den Grund selbst nicht nennen, öffnete die Tür, duckte sich und sah das Sonnenlicht, das durch beide Fenster fiel und sich auch auf den über der Leine hängenden Wäschestücken abmalte.
Esmeralda Pinosa sah der Junge
Weitere Kostenlose Bücher