Mein Flirt mit der Blutfrau
er sie.
Weit riß er die Augen auf!
Da hatte sie die Hände schon ausgestreckt. Ihre Fingerspitzen berührten ihn. Sie strichen über seine Wangen und zeichneten dort Streifen nach. Blutstreifen…
Juan tastete danach. Als er die Hände wieder zurückzog und auf die Fingerkuppen schaute, entdeckte er, daß sie eine rote Farbe bekommen hatten.
Das Blut der Lavinia di Luna.
»So, mein Junge«, hauchte sie. »Ich habe dich gezeichnet, dich, meinen Retter. Ich werde jetzt gehen, aber wir sehen uns wieder. Immer und immer wieder. Das Band des Blutes verbindet uns, verlaß dich darauf.«
Sie machte kehrt und schritt zur Tür. Erst als Juan sie nicht mehr hörte, öffnete er die Augen.
Das Zimmer war leer.
Nur er befand sich noch darin. Juan spürte die nassen Tränen auf seinen Wangen. Er leckte über seine Lippen, schmeckte das Salz und glaubte, einen Alptraum hinter sich zu haben. Dagegen sprachen die Flecken auf dem Boden.
Zum einen die zertretenen Würmer, zum anderen das Blut, das an den Rändern zu Punkten verlaufen war.
Nein, er hatte keinen Traum erlebt. Das entsprach alles den reinen Tatsachen. Er hatte Besuch von der Blutfrau bekommen! Daß dies überhaupt hatte so geschehen können, daran trug auch er die Schuld, denn er hatte sie mit Nahrung versorgt.
Keuchend blieb Juan hocken. Er stierte dabei zu Boden und wollte versuchen, einen klaren Gedanken zu fassen, was ihm nicht gelang. Zu gravierend steckte die Erinnerung an die jüngste Vergangenheit noch in ihm.
Irgendwann stand er auf. Zeit war für ihn bedeutungslos geworden, aber er erinnerte sich trotzdem daran, daß er sich mit John Sinclair verabredet hatte.
Konnte er ihm helfen?
Zunächst dachte Juan an die Worte der Blutfrau. Sie hatte ihm erklärt, daß sie ihn nie mehr aus ihren Fängen lassen würde. Er fühlte sich einfach zu schwach, um dagegen anzukämpfen. Wenn es ihm überhaupt gelang, dann nur durch einen starken Helfer.
War John Sinclair stark genug?
Er dachte an das Gespräch mit ihm. Dieser Mann aus London hatte Sicherheit gezeigt. Er war zu einem ruhenden Pol geworden und machte den Eindruck, daß man sich voll und ganz auf ihn verlassen konnte. Auch in Situationen, die furchtbar waren.
Es gab keinen anderen Weg für ihn, um aus der Misere herauszukommen. Er mußte sich John Sinclair anvertrauen. Juan holte ein Taschentuch hervor. Endlich konnte er sich die Nase putzen und trocknete auch die nassen Tränen ab. Dennoch sah sein Gesicht aufgequollen aus. Es war ihm anzusehen, was er hintersich hatte. Sinclair würde Fragen stellen, und Juan war gewillt, ihm auch die richtigen und wahren Antworten zu geben.
Mit zaghaften Schritten, als würde er erst noch das Laufen lernen, verließ er das Zimmer.
Im Hur blieb er stehen, drehte sich nach rechts und ging in die kleine Waschküche mit der niedrigen Decke. Dorf befand sich auch ein Waschbecken.
Er ließ das Wasser länger laufen, bevor er sich sein Gesicht wusch und es an einem blauen Handtuch abtrocknete.
Durch die Hintertür verließ er das Haus. Kein Nachbar sollte ihn sehen, weil er keine Fragen beantworten wollte. Allein sein, wenigstens für die nächste Stunde.
Noch stand die Sonne am Himmel. Sie schien ihm ins Gesicht. Juan ging noch einmal zurück und holte die dunkle Brille. Die Gläser verdeckten einen Teil seines angeschwollenen Gesichtes.
Er nahm die Schleichwege und hatte eine schreckliche Angst vordem kommenden Abend und der folgenden Nacht…
***
Nach dem Gespräch hatte ich zunächst Capitan Sanchez aufsuchen wollen, diesen Gedanken aber nicht weiter verfolgt. Es hätte nichts gebracht. Außerdem war ein Mann wie Sanchez nicht in der Lage, diesen Fall aufzuklären. Das sprach nicht gegen ihn, nur war er auf dem normalen Gebiet tätig, und seine Fälle, die er zu lösen hatte, besaßen keinen Touch ins Unheimliche.
Ich wollte allein vorgehen, das heißt, zusammen mit Juan, meinem Helfer. Er hatte von einer Höhle gesprochen, von einem Schacht. In einem Laden am Hafen kaufte ich eine lichtstarke Stablampe und sicherheitshalber auch ein paar Meter Seil, das sehr dünn war. Ich konnte es um meine Hüfte wickeln, ohne daß es auffiel. Im Hotelzimmer räumte ich die Badetasche aus und nahm den Gegenstand hervor, der tief unten lag.
Meine Beretta!
Dabei schüttelte ich den Kopf. Normalerweise fährt man ohne Waffe in Urlaub, auch ich hatte mit dem Gedanken gespielt, andererseits war ich froh, die mit geweihten Silberkugeln geladene Pistole bei mir zu wissen. Die
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