Mein Freund, der Mörder Kommissar Morry
er sich noch einmal umdrehte, sah er Ruth Levan und den chinesischen Diener vor dem düsteren Hause stehen. Wenn ihn nicht alles täuschte, so starrten sie ihm feindselig nach.
8
Auch an diesem Abend ging es im Billardzimmer der Sodom Bar recht aufgeregt zu.
Sam Lupin, der wieder den Vorsitz führte, kam kaum zu Wort, so aufgeregt schrien alle durcheinander.
„Wie ist das nun?“ fragte Steff Elm mit spitzem Gesicht und kläglicher Stimme. „Wollen wir hier ah war teil, bis es uns genau so ergeht wie Rex Coombe? Es ist doch ganz klar, daß wir alle auf der Liste eines Mörders stehen. Darum sage ich euch, Boys: Ich habe genug von diesem Verein. Hier kann man nur noch zwischen zwei Möglichkeiten wählen. Entweder man geht der Polizei ins Netz, oder man steht vor der Pistole eines Mörders. Ich danke für beides. Mich habt ihr gesehen.“
„Du bleibst“, schrie Sam Lupin wütend. „Hier wird nicht einfach weggelaufen, verstanden? Was zu tun ist, bestimme ich allein.“
„Warum wird dann nicht endlich diesem Zinker das Handwerk gelegt?“ zeterte Steff Elm aufgebracht. „Erzählte schon dem Kommissar, daß nur Ray Mortimer der hinterhältige Mörder sein kann. Er muß weg, bevor er weiteres Unheil stiftet.“
„Abwarten!“ rief Sam Lupin in den Lärm. „Momentan brauchen wir ihn noch. Ich hege noch immer die Hoffnung, daß wir den gestohlenen Koks bei ihm finden. Warum sollten wir zehntausend Pfund verschenken? Ich lasse den Burschen jetzt
Tag und Nacht beobachten. Sobald wir das Versteck des kostbaren Paketes kennen, ist Ray Mortimer ein verlorener Mann.“
„Alles schön und gut“, mischte sich Eugen Fenwick ein, den sie den Spitzbart nannten. „Diese Zukunftsmusik klingt gar nicht schlecht. Aber wovon sollen wir in den nächsten Tagen leben? Ich kann die paar Lappen an einer Hand zählen, die ich noch in der Tasche habe. Wann steigt endlich wieder ein flottes Geschäft?“
Sam Lupin deutete auf den Chinesen, der bisher schweigsam im Hintergrund gesessen hatte. „Fu Mao wird euch einiges erzählen. Ich glaube, wir nehmen seinen Vorschlag an. Wenn die Sache klappt, hat jeder von euch hundert Pfund in der Tasche.“
Der Gelbe kreuzte die Arme vor der Brust und begann leise vor sich hinzulispeln.
„Gestern Nacht hat ein Schiff aus Singapore neue Ladung gebracht. Das Paket steht jederzeit zur Verfügung. Es enthält reines Kokain. Allerdings geben wir es nur aus der Hand, wenn die Ware sofort bezahlt wird. Das weiße Pulver kostet viertausend Pfund.“
„Viertausend Pfund“, kicherte Eugen Fenwick mit dämlichem Gesicht. „Woher sollen wir soviel Geld nehmen, wie? Das ist doch glatter Blödsinn!“ Aber wieder wußte Sam Lupin Rat.
„Fragt Steff Elm“, meinte er grob. „Er hat eine Menge Geld auf die Kante gelegt. Er ist reicher als wir alle zusammen. Er wird uns bis morgen gern viertausend Pfund ausleihen. Das tust du doch? Oder nicht?“
Die drohenden Worte rissen Steff Elm buchstäblich vom Stuhl hoch. Ängstlich blickte er seine Kumpane an. „Ich habe tatsächlich einige Ersparnisse“, stotterte er unglücklich. „Ich legte es für den Fall zurück, daß dieser Verein eines Tages auffliegt. Ich glaube, ich werde es bald dringend brauchen.“
„Nichts da“, entschied Sam Lupin brutal. „Du wirst die Lappen sofort herausrücken, kapiert? Morgen bekommst du sie zurück. Und hundert Silberlinge dazu. Mehr Zinsen zahlt dir keine Bank.“
Steff Elm sträubte sich mit Händen und Füßen. Aber als ihm dann eine Paust in die Magengrube fuhr, gab er sich geschlagen. Er holte viertausend Pfund aus seiner Behausung und blätterte die Scheine seufzend auf den Tisch des Billardzimmers.
„Hier ist das Geld“, setzte er hinzu. „Ich will euch nicht im Stich lassen. Dafür verlange ich allerdings, daß ich bei dem Geschäft zugegen bin. Ich werde Fu Mao zum Hafen begleiten.“
„All right!“ knurrte Sam Lupin. „Meinetwegen watschelst du mit. Aber der Spitzbart wird dich begleiten. Zwei Männer sind besser als einer.“
So kam es, daß eine halbe Stunde später Eugen Fenwick, Steff Elm und der Chink die Sodom Bar verließen, am Wenlock Basin eine Taxe nahmen und schnurstracks ins Hafenviertel von Cubitt- Town fuhren. Hinter Samsons Chinesenhotel stiegen sie aus. Es ging eine Treppe zum Kai hinunter. Der neblige Hafenplatz öffnete sich vor ihnen. Die Themse lag in schwärzlichem Zwielicht.
„Es hat keinen Sinn, daß wir alle drei aufs Schiff gehen“, flötete der Gelbe.
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