Mein Freund, der Mörder Kommissar Morry
sowieso keinen Finger, um mir zu helfen. Er hockte sich in eine kleine verräucherte Kneipe und schüttete zwei Stunden lang den stärksten Fusel in sich hinein.
Dann endlich brach er auf. Der Alkohol hatte ihm etwas Mut verliehen. Er ging straffer und aufrechter als zuvor. Den Kopf hielt er zuversichtlich erhoben. Aber als er dann ein Weilchen später die Sodom Bar betrat, sank er wieder in sich zusammen. Erneut packte ihn die alte Furcht. Scheu schlich er in das Billardzimmer hinaus. Der Raum gähnte ihm leer entgegen. Der lange Tisch, an dem seine Freunde gesessen hatten, stand einsam in dem verräucherten Zimmer.
„Du bist der nächste“, hörte Steff Elm in seinem Innern eine Stimme raunen. „Du bist der nächste! Sie haben dich ganz allein gelassen. Jetzt sieh zu, wie du mit deinem Schicksal fertig wirst.“
Ein Feigling war er eigentlich schon immer gewesen. Aber jetzt machte ihn die Angst buchstäblich zum Narren. Er wagte sich einfach nicht allein aus dem Flaus. Er suchte Schutz bei den anderen, die stärker waren als er. Deshalb schlich er gebeugt in die Barstube hinüber und drückte sich bei Cilly Saddler am Büfett herum.
„Wann gehen Sie weg?“ fragte er. „Müssen Sie bis zur Sperrstunde hierbleiben?“
Cilly Saddler starrte ihn mißtrauisch an. „Was wollen Sie von mir?“ erkundigte sie sich abweisend. „Es reicht mir schon, wenn ich euch hier die halbe Nacht ertragen muß. Aber nach dem Dienst möchte ich wenigstens allein sein.“
Steff Elm ließ sich durch die verletzenden Worte nicht stören. Er kroch noch näher an sie heran.
„Haben Sie nicht erst kürzlich erwähnt, daß Sie weg wollen aus London?“ fragte er in beschwörendem Ton. „Ich wüßte eine Möglichkeit, Cilly! Ich besitze eine ganze Menge Geld. Es würde für uns beide reichen. Wir könnten im Ausland in Ruhe leben. Wir müßten nicht mehr für den Sam Lupin die Kastanien aus dem Feuer holen. Wir hätten es nicht mehr nötig, Tag und Nacht vor einem Mörder zittern zu müssen.“
Cilly Saddler hatte sein Gestammel regungslos über sich ergehen lassen. Zuerst wollte sie ihn schroff abfertigen. Aber dann begann sie, sich seinen Vorschlag doch zu überlegen. Es war nicht der schlechteste Rat, den sie da zu hören bekam.
„ „Ich habe auch Geld“, meinte sie grübelnd. „Wir könnten die Sache einmal in Ruhe besprechen. Aber nicht heute. Ich bin schon zu müde. Morgen ist auch noch ein Tag.“
Sie hatte gehofft, daß Steff Elm nun gehen würde. Doch er blieb hartnäckig an ihrer Seite. Er trank ein paar Schnäpse an der Theke, ließ sich ein Sandwich geben und wartete dann demütig, bis ihr Dienst beendet war.
„Ich gehe mit Ihnen“, sagte er unterwürfig. „Vielleicht ist bei Ihnen im Hotel noch ein Plätzchen frei. Morgen werden wir dann weitersehen. Ich hoffe, daß wir morgen Nacht schon jenseits der Grenzen sind.“
Cilly Saddler ließ ihn plappern. Sie sprach kaum mit ihm. Sie schien überhaupt nichts von seiner Anwesenheit zu merken. Erst als sie im Vorraum von Samsons Chinesenhotel eintrafen, erinnerte sie sich wieder an sein kindisches Flehen.
„Haben Sie noch ein Zimmer frei?“ fragte sie den gelben Portier. „Es wäre nur für diese eine Nacht.“
Der Chinese blickte Steff Elm schräg von der Seite an. „Bedaure, Sir“, lispelte er dann. „In unserem Haus ist alles besetzt. Aber gehen Sie doch zum Hafen hinunter. Die Asyle dort haben immer ein paar Plätze frei.“
Steff Elm zauderte unschlüssig. Er wollte nicht wieder hinaus in die trostlose Nacht. Er hätte lieber auf dem Fußboden geschlafen, wenn man ihm das erlaubt hätte. Doch der chinesische Portier machte kurzen Prozeß mit ihm. Er drängte ihn ebenso höflich wie bestimmt zur Tür hinaus und riegelte hinter ihm ab. Kurz danach erloschen im Hotel alle Lichter.
Wohin jetzt, dachte Steff Elm ratlos. Die meisten Hotels und Lokale haben schon geschlossen. Bleibt also wirklich nur noch der Hafen. Ich werde im Matrosenasyl am Kai übernachten. Es sind ja nur noch ein paar Stunden bis zum Morgen. Am hellen Tag ist alles halb so schlimm.
Er setzte sich langsam in Marsch. Er war müde vom vielen Alkohol. Sein umnebeltes Gehirn gaukelte ihm die tollsten Visionen vor. Ständig glaubte er die Schritte eines Verfolgers in seinem Rücken zu hören. Unablässig schielte er in die dunklen Winkel der engen Hafengassen. Sein eigener Schatten, der neben ihm durch den Nebel wanderte, flößte ihm Furcht und Schrecken ein. Am schlimmsten wurde es
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