Mein Freund, der Mörder Kommissar Morry
und starrte in den sinkenden Abend hinaus. Dann endlich sah sie ihn kommen. Er winkte ahnungslos zu ihr herauf. Ein flüchtiges Lächeln spielte über sein schmales Gesicht.
Mara Revell zählte die Sekunden, bis er zu ihr ins Zimmer trat. Sie mußte alle Kraft aufbieten, um nicht gleich mit ihrer Neuigkeit herauszuplatzen. Sie wartete erst ab, bis er sich gesetzt hatte.
„Wir hatten Besuch“, sagte sie mit gespielter Gleichgültigkeit.
„Besuch?“ fragte er trocken. „Wer war denn da?“
„Ruth Levan!“
Er sah sie überrascht an. „Ruth Levan?“ wiederholte er ungläubig. „Was wollte sie?“
„Sie kam, um dich abzuholen. Ihr wärt miteinander verabredet, behauptete sie. Sie erwartet dich im Cafe Bristol.“
Sie schielte gespannt in sein Gesicht. Aufmerksam beobachtete sie sein Mienenspiel.
„Du wirst doch nicht etwa hingehen?“
„Natürlich gehe ich. Ich habe es ihr ja versprochen. Was schadet es denn, wenn ich einen Abend lang mit ihr zusammen bin? Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?“
„Bah!“ schnaubte Mara Revell geringschätzig. „Das habe ich nicht nötig.“
Gleich darauf wandte sie sich ab und schluchzte leise in ein großkariertes Taschentuch. „Geh doch!“ schrie sie unter Tränen. „Was sitzt du denn noch hier herum? Lauf doch hin zu ihr!“
Ray Mortimer ging wirklich. Er verabschiedete sich, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, einer anderen Frau den Hof zu machen.
Mara Revell starrte ihm nach, bis er drunten in der engen Gasse verschwunden war. Zuerst spielten ihre Gedanken mit Mord und Totschlag. Aber zuletzt blieb nur noch das Verlangen übrig, es der anderen gleich zu tun. Sie beschloß, sich ein herbes französisches Parfüm zu kaufen und -einen Teil ihres Geldes für ein duftiges Abendkleid auszugeben. Von diesen Gedanken ahnte Ray Mortimer nichts, als er das Cafe Bristol betrat. Es war ein gediegenes, vornehmes Lokal mit schilfgrünen Polstersesseln und zierlich gedeckten Tischen.
„Sie werden erwartet“, sagte der Geschäftsführer höflich zu ihm. „Die Dame sitzt im Wintergarten. Bitte kommen Sie!“
Ray Mortimer wurde in den Nebenraum geführt, der von grünen Blattpflanzen und Farnen umwuchert war. Ruth Levan saß in einer lauschigen Ecke zwischen Palmen und rot blühenden Kakteen. Sie lächelte freudig, als sie Ray Mortimer erblickte.
„Setzen Sie sich bitte“, bat sie verwirrt. „Ich bin sehr glücklich, daß Sie gekommen sind.“
Sie war nicht im geringsten zurückhaltend. Im Gegenteil. Sie wurde sehr zutraulich, als der Geschäftsführer sich entfernt hatte. Sie schmiegte sich so innig an Ray Mortimer, als hahe es für sie nie einen Verlobten gegeben. Sie benahm sich wie ein verliebtes, kleines Mädchen. Ray Mortimer betrachtete sie nicht ohne Mißtrauen.
„Wie war das damals in Singapore?“ fragte er gedehnt. „Sind wir da in der gleichen Weise zusammen gewesen? Ich meine, waren Sie da genauso nett zu mir?“
Ruth Levan nickte verträumt. Ihre Gedanken schienen weit in die Vergangenheit zurückzuwandern. „Es war immer schön, wenn wir zusammen ausgingen“, schwärmte sie. „Sie sind eigentlich der erste Mann in meinem Leben gewesen. Ich werde diese Stunden nie vergessen.“
„Warum haben Sie denn einen anderen genommen?“ fragte Ray Mortimer verwundert. „Sie verlobten sich doch mit Pancras Eversley?“
„Ich sah und hörte ja nichts mehr von Ihnen“, murmelte Ruth Levan errötend. „Sie waren eines Tages spurlos aus Singapore verschwunden. Ich mußte annehmen, daß ich Sie nie mehr sehen würde. Da gab ich denn dem Drängen Pancras Eversleys nach. Bisher weiß ich allerdings nicht, ob ich an seiner Seite jemals glücklich werde.“
Die Stunden vergingen bei vergnügtester Unterhaltung. Ruth Levan zeigte sich mehr und mehr liebebedürftig. Sie schenkte ihm ein paar Liebkosungen, die sich eine Braut nie hätte erlauben dürfen.
„Kommen Sie noch mit zu mir?“ fragte sie mit weicher Stimme.. „Wir könnten noch eine Tasse Tee zusammen trinken. In meinem Zimmer brauchen wir keine neugierigen Blicke zu befürchten.“
„Was wird Pancras Eversley sagen?“ meinte Ray Mortimer zögernd.
„Er ist nicht da“, murmelte Ruth Levan verlegen. „Oft sehe ich ihn eine halbe Woche nicht. Ich möchte nur wissen, was er immer treibt. Er hat die merkwürdigsten Freunde.“
„Hm, ich weiß“, sagte Ray Mortimer leise. „Sam Lupin, zum Beispiel.“ Er lächelte dabei hintergründig. Seine Blicke wurden
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