Mein Freund, der Mörder Kommissar Morry
schon Cilly Saddler und all die anderen gesehen hatten. Bisher hatte allein sein Anblick die Opfer völlig gelähmt. Sie waren ihm völlig wehrlos in die Arme gelaufen. Auch Ray Mortimer spürte in diesem Moment eine eisige Kälte in seinen Adern. Seine Glieder wurden merkwürdig schwer. Die Hände wollten ihm kaum gehorchen. Nur sein Hirn arbeitete scharf und schnell.
Ich muß ihm zuvorkommen, dachte er grimmig. Diese Sekunde wird die Entscheidung bringen. Entweder er oder ich. Ein zweites Mal werde ich nicht im Hospital erwachen. Haute wird er genauer zielen als damals. Er hob blitzschnell die Pistole, drückte den Abzug durch. Den Bruchteil einer Sekunde später peitschte der Schuß auf. Blendend stach das Mündungsfeuer in die Finsternis. Heiser und bellend klang der Knall durch die Stille. Ray Mortimer warf sich hinter einen Strauch und spähte scharf geradeaus. Der plumpe, drohende Schatten war verschwunden.
Knarrend bewegte sich das Gartentor in den Angeln. Auf der Straße erklang ein dünner, flüchtiger Schritt.
„Na also“, knurrte Ray Mortimer zwischen den Zähnen. „Es ist das erste Mal, daß er vor einem Opfer flüchten muß. Vielleicht beginnt jetzt sein Stern endgültig zu sinken. Ich werde alles tun, um seinen Untergang zu beschleunigen.“
Langsam ging er auf das Gartentor zu. In diesem Moment hörte er, daß hinter ihm ein Fenster geöffnet wurde.
„Hallo, Mr. Mortimer!“ rief eine ängstliche Stimme. „Was hatte denn der Schuß zu bedeuten? Es ist Ihnen doch hoffentlich nichts passiert?“
Ray Mortimer gab keine Antwort. Er lachte nur spöttisch vor sich hin.
13
An dem langen Tisch im .Billardzimmer der Sodom Bar waren nur noch vier Stühle besetzt. Die anderen gähnten leer. Die Männer, die einst darauf gesessen hatten, waren einem grausamen Tod zum Opfer gefallen. Sam Lupin stierte finster auf seine letzten Getreuen. Tim Foyle saß ihm gerade gegenüber. Frank Gillet und Budd Ruxton hockten an seiner Seite. Sie machten Gesichter, als wären ihnen eben die letzten Felle weggeschwommen. Ein mürrischer Kellner brachte das bestellte Bier. Cilly Saddler konnte sie nicht mehr bedienen. Sie war tot.
„Was habt ihr denn?“ fragte Sam Lupin gereizt. „Wollt ihr mich für die Morde verantwortlich machen?“
Tim Foyle fuchtelte mit seinen spindeldürren Armen in der Luft herum. „Du bist ein Versager“, schrie er aus vollem Halse. „Siehst du das nicht endlich selbst ein? Warum hat denn früher bei John Dallas immer alles geklappt? Weil er viel heller war als du. Er hätte diesem verdammten Zinker im Schleusenhaus längst das Licht ausgeblasen. Er hätte diesen Mörder schon lange unschädlich gemacht. Aber du... du bringst ja nichts zuwege. Fast jedes Geschäft war bisher eine Pleite. Was wollen wir denn noch hier. Ich muß heute Steff Elm recht geben. Wir hätten uns längst in alle Winde zerstreuen sollen.“
Es war die gewaltigste Rede, die Tim Foyle je gehalten hatte. Nun ließ er seinen ausgemergelten Körper erschöpft auf den Stuhl zurückfallen. Beifallheischend sah er seine Freunde an.
„Tim hat recht“, grunzte Frank Gillet mundfaul. „Was wollen wir vier Männchen überhaupt in der Sodom Bar. Wir machen uns ja lächerlich. Schlage vor, daß wir sofort ins Schleusenhaus übersiedeln. Wenn du diesen Ray Mortimer schon nicht aus dem Weg räumen kannst, so wollen wir ihn wenigstens ständig im Auge behalten. Er wird keine Gelegenheit zu einem neuen Mord mehr finden. Das schwöre ich dir.“
„Endlich ein Vorschlag“, brummte Tim Foyle zustimmend. „Auf diese Idee wärst du wohl nie gekommen? Wir werden diesem verlogenen Burschen gehörig auf die Finger schauen.“
„Aber satt werden wir davon keineswegs“, gähnte Budd Ruxton schläfrig. „Oder glaubt ihr, Mara Revell wird uns ein neues Geschäft vermitteln? Sie will längst nichts mehr von uns wissen.“
„Ich habe ein Geschäft“, sagte Sam Lupin mit einem stechenden Seitenblick. „Wir können diesmal Tausende verdienen. Ein Schiff aus Singapore wird heute Nacht die Themsemündung erreichen. Es bleibt dort vier Stunden liegen, bis die Flut eintritt.“
„Weiter!“ drängte Tim Foyle ungeduldig. „Red nicht so lang herum.“
„Pancras Eversley hat mir den Tip gegeben“, fuhr Sam Lupin leise fort. „Der Kapitän des Schiffes befürchtet eine scharfe Zollkontrolle im Londoner Hafen. Er möchte seine heiße Ware vorher loswerden. Wir sollen das weiße Pulver bereits an der Themsemündung
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