Mein Freund Dewey, der beruehmteste Kater der Welt
die Kamera. Rick stellte sich rasch dahinter und machte sechs Aufnahmen.
»Ich glaube es nicht«, rief er aus, als Dewey vom Sessel sprang.
Ich erzählte es Rick nicht, aber so war es immer. Dewey schien stets zu verstehen, was ich von ihm wollte. Leider bedeutete es nicht automatisch, dass er mitmachen würde. Die Begriffe »Bürste« oder »Bad« musste ich nicht einmal aussprechen. Ich brauchte sie nur zu denken und schon war Dewey verschwunden. Ich weiß noch, wie ich eines Nachmittags in der Bücherei an ihm vorbeiging. Er sah mich auf die gewohnte, lässige Art an.
Hey, wie geht’s?
Ich dachte: Da sind ja zwei Fellknoten an seinem Hals. Ich sollte die Schere holen und sie herausschneiden. Kaum hatte ich diesen Gedanken gehabt, – wusch! – war Dewey verschwunden.
Seit seinem Ausflug hatte Dewey seine telepathischen Fähigkeiten jedoch stets für positive Zwecke eingesetzt und nie, um mir Streiche zu spielen. Nicht nur, dass er spürte, was ich wollte, meist tat er es auch – außer natürlich, ich wollte ihn baden oder kämmen. Für die Bücherei aber tat er alles. Das war ein Grund dafür, warum er sich so bereitwillig fotografieren ließ. Er war zu allem bereit, was gut für die Bücherei war.
»Er weiß, dass es für die Bücherei ist«, sagte ich zu Rick, aber wahrscheinlich glaubte er mir das nicht. Wie könnte eine Bücherei einem Kater etwas bedeuten? Und wie könnte er in der Lage sein, eine Verbindung herzustellen zwischen einer Bücherei und einem Fotoatelier, das einen Block weiter lag? Aber ich war überzeugt, dass es tatsächlich so war.
Ich hob Dewey hoch und kraulte ihn an seiner Lieblingsstelle oben auf dem Kopf, zwischen den Ohren.
»Er kennt Fotoapparate und hat keine Angst vor ihnen.«
»Saß er schon einmal vor einer Kamera?«
»Er wird mindestens zwei- oder dreimal die Woche von den Besuchern fotografiert. Er macht es gerne.«
»Ziemlich ungewöhnlich für einen Kater.«
Ich hätte ihm am liebsten gesagt, dass Dewey nicht irgendein Kater war, aber Rick hatte die ganze Woche lang Haustiere fotografiert und wahrscheinlich schon Hunderte solcher Sätze zu hören bekommen.
Doch wenn man sich Deweys offizielles Foto anschaut (es ist das, das für den Umschlag dieses Buchs ausgewählt wurde), merkt man sofort, dass er nicht irgendein Kater ist. Natürlich ist er schön, aber er ist auch entspannt. Er hat keine Angst vor der Kamera. Seine Augen sind klar und weit geöffnet. Sein Fell ist glänzend und gepflegt. Er sieht weder wie ein Kätzchen noch wie ein ausgewachsener Kater aus, sondern mehr wie ein Schulabgänger, der nach dem Schulabschluss fotografiert wird: Er hält sich sehr aufrecht, mit leicht geneigtem Kopf, und blickt gelassen in die Zukunft. Immer wenn ich das Foto sehe, muss ich schmunzeln, weil er darauf so ernst aussieht. Es ist, als wolle er besonders stark und schön wirken und auf diese Weise von der Tatsache ablenken, dass er so furchtbar niedlich ist.
Einige Tage nach Erhalt der fertigen Fotos sah ich, dass die Filiale einer großen Supermarktkette einen Fotowettbewerb »Mein Haustier« für einen wohltätigen Zweck veranstaltete. Wer seine Stimme abgeben wollte, musste dafür einen Dollar zahlen. Der Erlös sollte an eine Initiative gegen Muskelschwund gehen. Spontan reichte ich Deweys Fotos ein. Die Fotos waren ja als Werbung für die Bücherei gedacht gewesen, und dies war eine wunderbare Gelegenheit, sie einzusetzen.
Ein paar Wochen später stellte der Supermarkt vorne im Geschäft ein Dutzend Fotos von Katzen und Hunden aus. Die Bürger unserer Stadt stimmten ab, und Dewey siegte haushoch. Er bekam über 80 Prozent der Stimmen und siebenmal mehr als das zweitplatzierte Tier. Als mich die Leute vom Supermarkt anriefen, um mir das Ergebnis mitzuteilen, fand ich es beinahe peinlich.
Deweys überragender Sieg ließ sich teilweise damit erklären, dass das Foto so schön geworden war. Und teilweise damit, dass Dewey so gut aussah. So einen schönen Kater musste man einfach lieben!
Der Triumph ließ sich allerdings auch auf De weys Persönlichkeit zurückführen. Die meisten Katzen sehen auf Fotos zu Tode erschrocken aus, als müssten sie dringend mal Pipi, als sei ihnen die Prozedur zuwider – oder aber als träfe dies alles gleichzeitig zu. Die meisten Hunde wirken, als würden sie gleich durchdrehen, alles im Raum über den Haufen werfen, sich hoffnungslos in den Kabeln einwickeln und zum Schluss die Kamera fressen. Dewey dagegen wirkte gelassen.
Vor
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