Mein Freund Tutenchamun, Band 2: Grabräuber (German Edition)
Straßenjunge, der unter den vielen Pilgern und Trauernden betteln geht?“
„Ich glaube, die Straßenkinder und Bettler von Abydos können es sich nicht leisten, sich die Augenbrauen zu entfernen und dafür nachmalen zu lassen!“, schränkte Herkos ein. „Das solltest du noch abwaschen, sonst wird sich jeder wundern, der uns über den Weg läuft...“
Aber Tutenchamun hatte da keinerlei Bedenken und machte eine wegwerfende Handbewegung. „So viele Laternen gibt es nun auch wieder nicht in Abydos, als dass irgend jemand mir so genau ins Gesicht sehen wird!“, meinte der Pharao. „Ich habe mir von einem Diener Zunder und Feuerstein besorgen lassen, damit wir eine Fackel anzünden und uns umsehen können, wenn wir in der Grabkammer sind!“
„Und du denkst nicht, dass es zu gefährlich ist, wenn der Pharao Ägyptens unerkannt bei Nacht durch die Totenstadt schleicht?“
„Erinnerst du dich noch, wie wir uns zum ersten Mal getroffen haben, Herkos?“
„Natürlich! Du bist zu Sonnenaufgang am Nilufer mit deinem Streitwagen entlanggefahren und im Uferschlamm stecken geblieben, als die Pferde durchgingen.“
„Da war ich auch allein unterwegs. Das heute Nacht ist auch nicht gefährlicher! Wenn ich erst erwachsen bin, wird das vor lauter Staatsgeschäften und Zeremonien, die ich abhalten muss, gar nicht mehr möglich sein.“
Herkos zuckte die Achseln. „Wie du meinst!“
„Ich bin der Pharao!“, erklärte Tutenchamun, um nochmal unmissverständlich klar zu machen, dass er es zu sagen hatte.
„Und – deine Knochenkrankheit?“
„Herkos! Du redest ja schon wie Anchi!“
„Solltest du dich nicht lieber schonen, Tut?“
„Mach dir keine Sorgen. Vielleicht werde ich eines Tages daran sterben, aber dann werde ich ein alter Mann sein, sagt mein Leibarzt. Eher wird mich jemand umbringen! Und nun komm! Die Wachen sind durch einen Diener informiert worden, dass jemanden jetzt den Palast verlässt!“
Herkos atmete tief durch. „Bleibt nur noch ein Problem!“, meinte er und deutete in Tjesems Richtung.
„Wir nehmen ihn mit“, schlug Tutenchamun vor. „Einen Hund wird niemand von den Gräbern fortjagen, denn das bringt Unglück! Wer weiß, vielleicht hast du ihn inzwischen ja sogar so gut erzogen, dass er uns verteidigen würde, Herkos!“
Aber was diesen Punkt betraf, war Herkos sich keineswegs sicher. Schließlich hatte Tjesem inzwischen bewiesen, dass er einen ziemlich eigenwilligen Hundecharakter hatte und man eigentlich nur eines über ihn sagen konnte: Man konnte nie mit Sicherheit vorhersagen, was er als nächstes tun würde!
Herkos und und Tutenchamun schlichen aus dem Palast. Die Wachen waren informiert und so konnten der junge Pharao und der Prinz aus Kreta unbehelligt den Palast verlassen. Ein Nebeneingang wurde offen gelassen und war für eine kurze Zeit während eines Wachwechsels unbeaufsichtigt.
Dann schlichen sie durch die im Mondlicht daliegenden Gassen der angrenzenden Siedlungen. Laternen brannten um diese Zeit nur in der Gegend am Hafen und rund um den Osiris-Tempels. In der Nacht, wenn unzähligen Fackeln und Feuern seine bemalten Außenwände beleuchteten, tanzen dort geisterhafte Schatten.
Herkos vermied es, dort länger hinzusehen, denn man hatte immer ein wenig den Eindruck, als würden die Bilder des Gottes Osiris jeden Augenblick erwachen.
Es dauerte eine Weile, bis die beiden Jungen den Bereich erreichten, in dem sich auch Ahmoses Grab befand.
Zwar gab es ein paar Wachen, aber Herkos und Tutenchamun schlichen einfach in einem weiten Bogen um sie herum. Besonders aufmerksam waren diese Wächter ohnehin nicht.
Die Dunkelheit machte den Jungen nun doch etwas mehr zu schaffen, als sie dies erwartet hatten.
Aber Tjesem schien genau zu wissen, wo ihr Ziel lag und offenbar hatte er auch in der Dunkelheit keinerlei Schwierigkeiten, es zu finden. Schließlich war er am Vortag als die eigentliche Trauerfeier durchgeführt worden war, schon einmal dort gewesen.
„Gut, dass wir jemanden bei uns haben, dessen Nase so viel besser ausgebildet ist als unsere Augen, Herkos!“, flüsterte der Pharao.
Herkos nickte. „Abgesehen davon kann er für uns die Schakale vertreiben, was uns ja nicht erlaubt ist.“
„Zumindest, wenn wir nicht wollen, dass Anubis' Fluch auf uns kommt!“, ergänzte Tutenchamun.
Tatsächlich fanden sie einen Schakal in der Nähe des Grabes an. Der heulte kurz auf und war so schnell in der Nacht verschwunden, dass selbst Tjesem ihn
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