Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
eine Freundin mit mir unterhielt. Ihrer Meinung nach war mein Hauptproblem, dass ich übertriebene Ansprüche stellte. Da ich von der Int stammte und den Nachnamen Miscavige trug, würde ich mir einbilden, bevorzugt behandelt werden zu müssen. In Wahrheit war es völlig anders. Ich betrachtete nämlich nicht die Miscaviges als meine Familie, sondern meine Freunde in der Sea Org. Und ich war hier zu Hause, auf der Flag.
Nach ein paar Wochen wurde Mr. Rathbun die ganze Farce leid und erklärte mir in ihrem feindseligsten Ton, ich hätte derart viele Withholds, dass ich sie besser am Computer aufschreiben würde. Auf diese Weise konnte sie alles ausdrucken und zuschicken, wem auch immer sie es zuschicken musste. Einem Computer zu beichten, fiel weitaus leichter als ihr. Immerhin konnte ich Dinge aufschreiben, die tatsächlich geschehen waren, ohne dafür gleich in die Mangel genommen zu werden. Das Verfahren wurde allerdings von Meter-Checks begleitet. Und sobald der Drucker nicht genügend Seiten auswarf, bekam sie einen Wutanfall und schrie, was mir einfiele, ihr so die Zeit zu stehlen. Es dauerte nicht lange, und die Security-Checks wurden wieder ohne Computer durchgeführt.
Gab es keine Sitzungen, musste ich mir erneut die gefürchteten State of Man-Kongressvorträge anhören oder die Toiletten und die Fliesenfugen mit einer Zahnbürste schrubben. Wenn sich Onkel Dave oder Tante Shelly in dem Gebäude aufhielten, in dem ich putzte, wurde ich angewiesen, meine Mahlzeiten ebenfalls in den Toilettenräumen einzunehmen, damit sie mir nicht versehentlich auf dem Gang begegnen und von mir aus dem Gleichgewicht gebracht werden konnten, was wiederum Scientology geschadet hätte.
Ich fühlte mich von morgens bis abends gefangen. Entweder war ich in den Toiletten der WB eingesperrt, oder ich saß im Auditing-Raum bei Mr. Rathbun oder in einem anderen Büro, wo ich mir LRH -Kassetten anhörte. Es war mir verboten, mit dem Bus nach Hause zu fahren, stattdessen brachte man mich mit dem Auto, um mich von meinen Freunden fernzuhalten. Fünf Minuten lang durfte ich duschen, dann musste ich ins Bett gehen. Meist konnte ich abends nicht einschlafen, aber aufstehen war unmöglich, da ständig jemand vor meiner Tür postiert war. Selbst die Briefe meiner Freunde wurden konfisziert.
Nachdem ich monatelang Toiletten geschrubbt hatte, erschien Mr. Rathbun eines Abends an meiner Tür, um mir etwas Wichtiges mitzuteilen. Wie üblich stand mein CO unmittelbar hinter ihr.
»Dein Ethik-Programm ist abgeschlossen«, sagte sie. »Du hast die Fehler deines Tuns eingesehen, daher kommst du heute Abend nach Hause.« Die Bemerkung war irgendwie absurd, schließlich war ich bereits auf der Flag Base, meinem Zuhause.
»Was heißt nach Hause?«, fragte ich, da ich annahm, sie würde vielleicht ein anderes Zimmer meinen.
»Int«, erwiderte sie. Diese eine Silbe genügte, um mir alle meine hoffnungsvollen Erwartungen zu rauben. Die Flag war mein Zuhause. Meine Großmutter, Tante Denise und meine Cousins wohnten alle in Clearwater. Hier hatte ich endlich Verwandte in der Nähe. All meine Freunde lebten auf der Flag, und vor allem war Martino hier. Neben den vielen Problemen, mit denen ich hier in den letzten Jahren gekämpft hatte, war ich hier auch glücklicher gewesen als irgendwo sonst. Und jetzt sollte ich all das zurücklassen und damit auch die Hoffnung, jemals wieder dieses Glück zu erleben.
»Darf ich zurückkommen?«, flehte ich. »Darf ich mich von meiner Großmutter verabschieden?« Ich wagte erst gar nicht, um einen Abschied von meinen Freunden zu bitten oder gar von Martino.
»Wir werden ihr deinen Gruß ausrichten«, säuselte mein CO aus dem Hintergrund.
»Okay«, sagte ich fassungslos und versuchte mich mit dem Gedanken zu trösten, dass ich in einigen Tagen wahrscheinlich wieder zurück sein würde. Ohne weitere Vorreden schoben sich die beiden in mein Zimmer und halfen mir dabei, alle meine Habseligkeiten in ein paar Taschen zu verstauen. Ich sagte, ich brauche nicht alles mitzunehmen, aber sie erklärten, ich solle es tun, für alle Fälle. Ich verstand nicht, was sie damit meinten, aber es jagte mir Angst ein. Sie umarmten mich, als wären wir stets beste Freunde gewesen, und verabschiedeten sich. Tom brachte mich zum Flughafen. Ich bat ihn, Martino von mir zu grüßen, und er versprach, es ihm auszurichten.
KAPITEL 22
L. A.
Ich weinte den halben Flug über und hatte bei meiner Ankunft in Los Angeles ganz verquollene
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