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Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
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nicht gehen.«
    Tonskala Stufe 40. Ein Nein als Antwort kam nicht in Frage.
    Sie tauschten erstaunte Blicke aus. Endlich sprach Mr. Rathbun: »Was meinst du damit, Jenna?«
    »Ich will nicht gehen«, wiederholte ich und fügte bekräftigend hinzu: »Lieber ins RPF als fortgehen.« Das war zugegebenermaßen etwas übertrieben, da ich ganz sicher nicht ins RPF wollte. Ich versuchte nur, ihnen auf diese Weise verständlich zu machen, wie ernst es mir war. Mein Entschluss sollte unumkehrbar klingen.
    Schockiert und belustigt zugleich sahen sie einander an. »Mit dir wird die Kirche eines Tages eine enorme Verstärkung haben«, sagte Mr. Rinder dann mit strahlendem Lächeln.
    Die beiden mussten nun darüber nachdenken, was das bedeutete und ob eine solche Möglichkeit überhaupt bestand. Sie baten mich zu warten, während sie sich draußen besprachen. Etwa eine Stunde später kam Mr. Rathbun zurück und schenkte mir einen väterlichen Blick. Er sagte mir, sie müssten sich noch um andere Kirchenangelegenheiten kümmern und würden mir empfehlen, in der Zwischenzeit Volume Zero zu studieren. Mit seinen unzähligen Strategiebeschreibungen, Vorschriften und Anordnungen bildete dieses dicke Verwaltungsregelwerk der Church meinen unbeliebtesten Kurs.
    Die nächsten Stunden tat ich, als würde ich darin lesen, starrte in Wahrheit aber nur die grünen Buchstaben an, während ich über meine Zukunft nachdachte. Ich fragte mich, ob ich bleiben durfte, und stellte mir vor, wie es, wenn sie meine Bitte ablehnen würden, in einer öffentlichen Schule sein würde. Mindestens acht Stunden vergingen, bis Mr. Rathbun endlich zurückkam. Eine Frau begleitete ihn, und er wirkte nervös. Bedauernd erklärte er, man sei von anderen Dingen aufgehalten worden, habe nicht gemerkt, wie die Zeit verging, und ganz vergessen, dass ich noch hier saß. »Da es jetzt schon eins ist, werden wir dich erst einmal gehen lassen«, sagte er. »Morgen werden wir uns dann um die Sache kümmern.«
    Er setzte ein bemühtes Lächeln auf, als ich nur »okay« erwiderte. Ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun sollen.
    Dann stellte er mich Linda vor, der Frau neben ihm. Sie trug einen Sweater zu ihrem Sea Org-Blau und machte einen ganz netten Eindruck. Mr. Rathbun erklärte, sie würde mich zu einer Übernachtungsmöglichkeit bringen. Sie lächelte, und ich folgte ihr durch die Tür. »Bis morgen früh!«, rief Mr. Rathbun und winkte uns beiden hinterher.
    Wir fuhren zu demselben Gebäudekomplex auf der PAC -Base, in dem ich mit meiner Familie gewohnt hatte, als sie vor vierzehn Jahren in die Sea Org eingetreten war. Es hatte sich nichts verändert, auch wenn ich mich nicht mehr genau daran erinnerte, wo was war. Die Sea Org-Mitglieder, die um diese Uhrzeit noch unterwegs waren, musterten uns – vor allem mich – mit unverhohlener Neugier. Wir nahmen den Aufzug in den dritten Stock, wo zwei nur in Badetücher gehüllte Frauen aus dem Duschraum kamen und Linda im Vorbeigehen mit »Hi, Sir« grüßten.
    Mein Zimmer lag am Ende des Flurs. Linda führte mich hinein. »Oh, prima. Das Zimmer hat eine eigene Dusche«, sagte sie. »Ich treff dich dann morgen früh um neun vor dem Haus.« Dann verschwand sie, während ich vor dem Spiegel stand und mich fragte, warum mir bloß ständig so viele verrückte Dinge passierten.
    Was an einer eigenen Dusche so besonders war, wusste ich nicht, meine jedenfalls hatte weder Seife noch Handtücher, also war ich selbst anscheinend nicht besonders genug. Ich wusch Körper und Gesicht mit dem Shampoo, das ich mitgebracht hatte, und trocknete mich mit einem Hemd aus meinem Gepäck ab. Als ich das Badezimmer verließ, sah ich eine riesige Kakerlake über den Boden krabbeln. Statt sie zu beseitigen, zog ich lieber die Tür hinter mir zu und ignorierte sie.
    Ich setzte mich auf das Bett. An meinen Füßen klebte der Dreck vom Fußboden, nebenan dröhnte Musik, und vor meiner Tür hörte ich laute Stimmen. Ich wollte absperren, doch es war nicht möglich. Die Tür hatte kein Schloss. Und selbst wenn, der Sicherheitsdienst und ein Haufen anderer Leute hätten sicher einen Universalschlüssel gehabt, der auf alle Schlösser passte, also machte es auch keinen Unterschied. Ich öffnete die Tür und sah ein paar Teenager, die mich wie ein Wesen von einem anderen Stern anstarrten. Ich schlug die Tür so abrupt zu, wie ich sie geöffnet hatte.
    Unaufhörlich klapperte das Fenster in meinem Zimmer. Das grelle Licht der Scientology-Leuchtschrift

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