Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
Vom Netzwerk:
auf jeden Fall gehen würde, nur um mir dann später zu erklären, dass sie sich für mein Bleiben einsetzen würden?
    In diesem Moment begann sie bereits, meine Frage mit ihren eigenen Mutmaßungen zu beantworten: »Marty und Mike haben dich reingelegt. Sie haben so getan, als würdest du zurück auf die Int kommen, um deine Erwartungen hochzuschrauben. In Wahrheit sollte dich dadurch aber nur die Nachricht noch mehr umhauen, dass du rausgeschmissen wirst. Sie spielen bloß ihre Psychospielchen mit dir.«
    Diese Bemerkung ärgerte mich. Wie konnte Mom sich einbilden, irgendetwas von meinen Gedanken und Gefühlen zu verstehen. Schon ihre Annahme, ich würde mir eine Rückkehr auf die Int wünschen, bewies doch, wie wenig Ahnung sie von meinem Leben hatte. Ich wollte nicht auf die Int, ich wollte auf der Flag bleiben. In meinen Augen versuchte sie, Mr. Rathbun und Mr. Rinder mit manipulativen Tricks und Tatsachenverdrehungen feindselige Absichten zu unterstellen, obwohl doch in Wirklichkeit sie und Dad es waren, die mich zum Weggehen zwingen wollten. Als ich endlich die Chance bekam zu antworten, blieb ich standhaft.
    »Keine Ahnung, Mom, vielleicht bist du hier ja auch diejenige, die paranoid reagiert und ständig annimmt, dass alle gegen sie sind.« Ich erklärte ihr, dass ihre Generalisierungen nicht zutreffend seien, ein Vorwurf, der in dieser Form üblicherweise SPs gemacht wurde.
    Ich spürte sofort, wie sehr meine Worte Mom verletzt hatten, was mir wiederum leidtat. Ihre Antwort klang gekränkt und sogar ein wenig verzweifelt.
    In gewisser Weise hätte mein Wunsch, in der Sea Org zu bleiben, meine Mutter eigentlich nicht überraschen sollen. Schließlich hatten ihre Eltern, wie ich nun zum ersten Mal erfuhr, sie in etwa demselben Alter ebenfalls vergeblich beschworen, die Sea Org zu verlassen. Mir wurde bei dieser Schilderung klar, wie wenig ich von meiner Mutter wusste. Jetzt wiederholte sich ihre Geschichte in meinem Leben, und diesmal war sie der Erwachsene, der gehen wollte.
    »Weißt du, Jenna, Menschen wie ich, die von der Sea Org weggehen … wir sind keine … wir sind deshalb kein wertloser Haufen Fleisch.«
    »Das weiß ich, Mom«, sagte ich leise. Meine Eltern glücklich zu machen, war mir immer wichtig gewesen. So sehr ich es ihnen auch verübelte, dass sie mir meine Freunde und meine Welt nehmen wollten, es verursachte mir dennoch Gewissensbisse, sie so aufzubringen. »Es tut mir leid, aber mein Leben ist hier, und ich möchte bleiben.«
    Wir schwiegen alle drei einen Moment, bis ich die Stille durchbrach.
    »Was ist das für Musik im Hintergrund?«, fragte ich.
    Während unseres Gesprächs waren die ganze Zeit Fetzen von merkwürdiger, mexikanisch klingender Musik zu hören gewesen.
    »Wir wohnen in Cabo San Lucas, in Mexiko«, sagte sie. Ich war baff, obwohl ich mir rasch zusammenreimte, dass die Church sie mit diesem Schritt erst einmal von der Bildfläche verschwinden lassen wollte. Immerhin verließ hier der Bruder des Scientology-Führers die Church, und diese Nachricht sollte kein PR -Problem werden.
    Nachdem sich der angriffslustige Ton zwischen uns ein wenig gelegt hatte, sprach ich noch mit meinem Vater. Er schlug in die gleiche Kerbe wie Mom, äußerte seine Bedenken, ließ mir jedoch auch Gelegenheit zu erklären, warum ich bleiben wollte. Er war sehr vorsichtig mit seinen Äußerungen über Marty und Mike, in erster Linie wohl, weil er mich nicht verstimmen wollte. Außerdem wusste er vermutlich, dass sie mithörten. Am Ende waren Mom und Dad von der Ernsthaftigkeit meines Wunsches überzeugt und erklärten beide, keine gerichtlichen Schritte zu unternehmen, um meinen Austritt zu erzwingen. Erleichtert atmete ich auf.
    Beim Abschied erklärten wir, einander zu lieben, aber die eine Sache, die jedem durch den Kopf ging, sprach keiner aus: Wann würden wir uns wiedersehen? Uns allen war klar, dass dieser Zeitpunkt lange, lange auf sich warten lassen würde. Von den Grundregeln her war ein Treffen nun sogar ausgeschlossen, da sie die Church verlassen hatten.
    Als ich auflegte, empfand ich eine Mischung aus Erleichterung und Schuld. Erleichtert war ich darüber, mich durchgesetzt zu haben, aber ich hatte meinen Eltern wehgetan.
    Mr. Rathbun schien froh, dass nun alles geklärt war, obwohl ihm der Vorwurf meiner Eltern, mich mit Tricks zum Bleiben gedrängt zu haben, gar nicht gefiel.
    »Also gut, und wie geht’s jetzt weiter?«, rief er. Es war eher eine Zusammenfassung der aktuellen Lage

Weitere Kostenlose Bücher